Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
von Tel Zatar eine Delegation auf Europareise schickte, die um Verständnis für das syrische Eingreifen im Libanon werben sollte. Ihren ersten Auftritt hatte sie in Bonn. Glücklicherweise hatte mir ein syrischer Kollege bei der Liga der Arabischen Staaten einen Tag zuvor die Rede beschafft, die der Delegationsleiter auf einer Pressekonferenz verlesen wollte; ich war also gut vorbereitet, als er vor die
Presse trat und von einer Militäraktion gegen Banditen und Mörderbanden sprach. (Fast wortgleich wiederholte sich diese Diffamierung später in den Kommuniqués der syrischen Regierung anlässlich des Militäreinsatzes gegen die eigene Bevölkerung im Frühjahr 2011.) Ich meldete mich umgehend zu Wort. »In der Geschichte des arabischen Konflikts mit Israel«, sagte ich, direkt an den Leiter dieser Delegation gewandt, »ist es heute das erste Mal, dass ihr Syrer nach Europa kommt, um eine Pressekonferenz abzuhalten – aber nicht, um Israel zu kritisieren, sondern um uns Palästinenser zu verleumden. Was könnte besser zeigen, in welcher erbärmlichen Verfassung sich die arabische Welt befindet?« Ich sprach nicht lange, aber deutlich. Zwischendurch unterbrach mich der syrische Militärattaché und forderte mich für alle vernehmlich auf, den Mund zu halten. Ich wies ihn höflich zurecht. Dass es sich bei dem Mann um den Bruder des syrischen Geheimdienstchefs handelte, wusste ich nicht.
Die Pressekonferenz war jedenfalls ein völliger Reinfall, denn anderntags bezogen die Kommentatoren sämtlicher deutschen Zeitungen gegen die Syrer Stellung. Dieser Auftritt wiederholte sich in Hamburg, Zürich und Bern. Jedes Mal erzählten sie ihre Märchen von den palästinensischen Mörderbanden, jedes Mal war das Ergebnis ein Fiasko. Sehr zu ihrer Verärgerung folgte ich ihnen überallhin.
Dennoch sah es so aus, als hätte die Sache für mich kein Nachspiel. Denn als Präsident Hafiz Assad dem deutschen Bundespräsidenten Walter Scheel 1978 einen Besuch abstattete und ich ihn bei dieser Gelegenheit bat, mir meine Kritik an Syrien zwei Jahre zuvor nicht übelzunehmen, wiegelte Assad überaus milde gestimmt ab – damals hätten schwarze Wolken über uns gehangen, die nun vorübergezogen seien. Zum Zeichen seines Wohlwollens lud er Benita und mich sogar ein, als seine Gäste nach Syrien zu kommen, womit ich die Sache für erledigt hielt.
Ein halbes Jahr später ergab sich tatsächlich die Gelegenheit, nach Syrien zu fahren.
Alles begann mit einem Anruf des jungen FDP-Abgeordneten Jürgen Möllemann. Er wolle mich sprechen, sagte er. So schnell wie möglich. Im Steigenberger Hotel in Bonn. Um 8 Uhr morgens. Ich hatte zwar von ihm gehört, kannte ihn aber noch nicht persönlich und ging hin. Möllemann war in Eile und trug unverzüglich sein Anliegen vor. »Ich möchte Arafat in Beirut treffen«, sagte er, um sogleich fortzufahren: »Aber Sie sollen wissen: Ich bin kein Gegner Israels. Ich bin gegen die Besetzung der palästinensischen Gebiete, aber ich unterstütze niemanden, der die Existenz Israels infrage stellt. Ich bin nach dem Krieg geboren, ich habe mit den Gräueltaten der Nazis nichts zu tun, aber ich bekenne mich zu unserer Verantwortung.« Das waren Standardformulierungen, wie man sie von fast allen deutschen Politikern gewöhnt war, aber in diesem Fall kamen sie von jemandem, der sich über die Vorgänge im Nahen Osten bestens informiert zeigte, der eine klare Vorstellung von den Dimensionen des Dramas hatte. Ich rief Arafat an, und der war einverstanden.
1979 flogen wir nach Beirut. Möllemann und Arafat verstanden sich auf Anhieb. Ich war bei ihrem Gespräch zugegen und erlebte Möllemann als einen klugen, einfallsreichen Kopf – Arafat ging sofort auf Möllemanns Vorschlag ein, für den Nahen Osten eine Sicherheitskonferenz nach dem Vorbild der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) ins Leben zu rufen, und griff diese Anregung nach der Tragödie des Libanonkriegs in verschiedenen Interviews auf. Möllemann blieb nach dem Treffen mit Arafat noch einige Tage in Beirut, zeigte lebhafte Neugier an allen Facetten des Beiruter Lebens, hatte seine Freude an den alten Mercedes-Taxis, ließ sich in einem der altertümlichen arabischen Friseurläden die Haare schneiden und reiste dann weiter nach Syrien zu Präsident Assad. Vorher fragte er mich, ob ich ihn begleiten wolle.
War es ratsam, mich in Syrien sehen zu lassen? Jedenfalls wollte ich nicht zusammen mit Jürgen Möllemann
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