Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Innenminister eingeschaltet hatte. Ich lehnte den angebotenen Tee ab und suchte den Innenminister auf. Es kam zu einer netten Unterhaltung über alles Mögliche, er lobte meine Arbeit, schrieb meine Verhaftung einem Missverständnis zu, konnte meinen Zorn jedoch nicht besänftigen. Auf der Rückfahrt zeigte sich dann, dass nicht einmal der Innenminister seinen Geheimdienst im Griff hatte.
Jürgen Möllemann hatte seinen Besuch in Syrien inzwischen beendet. Ich telefonierte mit Hayel in Beirut und bat ihn um einen Wagen mit Begleitschutz. Er schickte mir zwei von unseren Leuten mit einem Jeep, wir machten uns auf den Weg nach Beirut, und an der Grenze wieder dasselbe Spiel – ich sollte aussteigen und warten, bis Anweisungen aus Damaskus einträfen … Meine Begleiter waren in ihrem Jeep sitzen geblieben. »Steig ein«, raunte mir der Fahrer zu. »Wir fahren los.« Ich sprang in den Wagen, er gab Gas, und wir kurvten mit ziemlichem Tempo auf Umwegen durch die Berge des Südlibanons. Nach wilder Fahrt erreichten wir kurz vor Sonnenuntergang Beirut. Ich war ihnen entkommen – und so erleichtert wie selten in meinem Leben.
Jürgen Möllemann war mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt und machte Schlagzeilen. »Möllemann kritisiert Israel« schrieben die Zeitungen, in diesem Tonfall der Empörung,
mit dem man auf eine Ungeheuerlichkeit reagiert. Schon damals setzte die Kampagne der hundertfünfzigprozentigen Israelfreunde gegen Möllemann ein, die sich dabei des alten, offenbar unverwüstlichen Vokabulars der PLO-Gegner bedienten: Er besuche einen Terroristen, der Israel von der Landkarte löschen wolle und so weiter, das alte Lied.
Ich habe nie verstanden, wieso gerade er zur Zielscheibe wurde. Möllemann hatte schon vor seiner Reise die Besatzungspolitik Israels kritisiert. Er ist immer für die Zwei-Staaten-Lösung eingetreten. Was war daran anstößig? Die FDP als Ganzes unterstützte doch das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, und Genscher war eine der treibenden Kräfte bei der »Erklärung von Venedig« gewesen. Später verurteilte Möllemann Ariel Scharons Krieg im Libanon als terroristische Aktion, aber erst, nachdem Hunderttausende Israelis auf Demonstrationen dagegen protestiert hatten. Weltweit hatte der Libanonkrieg zu einem Aufschrei geführt, Menachem Begin war deswegen zurückgetreten, nur Möllemann musste sich seiner offenen Worte wegen den Vorwurf des Antisemitismus gefallen lassen.
Ich fühle mich verpflichtet, Jürgen Möllemann gegen seine Kritiker in Schutz zu nehmen, denn ich kannte ihn. Er war in der Palästinafrage auf unserer Seite, weil wir die Besetzung Israels zu erdulden hatten und immer noch haben, doch war er weit davon entfernt, das Existenzrecht Israels zu bestreiten. Seine einzige Sorge galt einem gerechten Frieden im Nahen Osten, und so viel ich weiß war er der Erste, der eine Sicherheitskonferenz für den Nahen Osten ins Spiel brachte. Gewiss, er liebte Schlagzeilen, und vielleicht war er nicht Politiker genug, eine undurchsichtigere Position zu beziehen; bei Arafats erster Pressekonferenz in Deutschland 1993 saß Möllemann zu seiner Rechten, Wischnewski zu seiner Linken. Er hat jedenfalls immer Mut bewiesen – und er hat seinen Mut teuer bezahlt.
»Man weiß jetzt, wer David und wer Goliath ist«
Zu Beginn der 80er-Jahre plante die israelische Regierung nicht mehr und nicht weniger als die endgültige Lösung des Palästinenserproblems. Eine Lösung, zu der die Kräfte 1948 nicht gereicht hatten, die seither aufgrund der Nachgiebigkeit israelischer Politiker versäumt worden war. Soweit sich nicht bereits gezeigt hatte, was da im Einzelnen geplant war, machte die israelische Presse in aller Klarheit deutlich, worauf sich die Palästinenser nun einzustellen hatten: eine Invasion des Libanons, um die PLO auszuschalten, Arafat zu beseitigen, sämtliche Palästinenser nach Syrien und Jordanien abzudrängen, die syrische Armee aus dem Land zu werfen und eine Israel genehme Regierung unter dem Falangistenführer Bashir Gemayel zu etablieren, mit der man dann rasch zu einem Separatfrieden kommen würde. Die flankierenden politischen Maßnahmen waren schon eingeleitet worden mit dem Versuch, im Westjordanland eine Ziviliverwaltung aus Kollaborateuren, israelhörigen Bürgermeistern, einzusetzen. Sollte der geplante Angriff auf den Libanon zu den erhofften Ergebnissen führen, würde den Palästinensern in den besetzten Gebieten allerdings ohnehin nichts anderes
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