Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
übrigbleiben, als sich den Wünschen Israels zu beugen, denn einen organisierten palästinensischen Widerstand gäbe es danach nicht mehr, und Israel hätte sich endgültig als regionale Supermacht etabliert.
Der israelische Ministerpräsident Menachem Begin und sein Verteidigungsminister Ariel Scharon waren genau die Richtigen, um mit den Halbherzigkeiten der Vergangenheit Schluss zu machen. Um mit Begin zu beginnen: Der ehemalige
Chef der zionistischen Terrororganisation Irgun war 1977 an die Macht gekommen, als die Arbeiterpartei zum ersten Mal in der Geschichte Israels die Regierungsgewalt an die nationalistische Rechte abtreten musste, aus der sich später der Likud formte. In der britischen Mandatszeit war Begin für einen israelischen Staat eingetreten, der sich zu beiden Seiten des Jordans erstreckt, also das gesamte Gebiet von Palästina und Jordanien umfasst; nach dem israelischen Sieg von 1967 hatte er gejubelt, nun gehe sein Traum von Groß-Israel in Erfüllung, und zur Absicherung seines Traums den Bau israelischer Siedlungen auf dem Territorium der »befreiten« Gebiete gefördert.
Der Vorkämpfer eines Groß-Israels fand in dem Militaristen Ariel Scharon einen kongenialen Partner. Scharon, seit Juni 1981 Verteidigungsminister, war im Grunde der fleischgewordene Krieg, ein systematisch denkender Stratege, der in einem Interview einmal bekannte, die Welt am liebsten aus dem Geschützturm eines fahrenden Panzers heraus zu betrachten. Zahlreiche seiner Aussagen lassen vermuten, dass Scharon, 1928 geboren und damit praktisch derselbe Jahrgang wie Arafat, den Israel-Palästina-Konflikt als einen persönlichen Kampf zwischen sich und seinem palästinensischen Gegenspieler auffasste – als einen Kampf zwischen Gut und Böse letzten Endes, und einen Kampf auf Leben und Tod ohnehin. Zu den Kategorien, in denen Scharon dachte, gehörte jedenfalls auch das Inferno.
Vorkommnisse wie der Libanonkrieg, in dem sich, von Israel entfacht, furchtbare zerstörerische Energien austobten, sind nicht zu verstehen, ohne auch die prägende Kraft nationaler Gründungsmythen zur Erklärung heranzuziehen. Im Gegensatz zu dem ständigen Bestreben Israels, seine Politik jeweils durch eine akute Bedrohung zu rechtfertigen, haben sich israelische Politiker stets – mal offener, mal verdeckter – an Vorgaben orientiert, die als Visionen vor rund hundert Jahren in die Protokolle der Zionistenkongresse Eingang fanden.
So hatten die Zionisten bereits 1919 auf der Versailler Friedenskonferenz einen Plan vorgelegt, der die Schaffung eines Staates Israel über die Grenzen Jordaniens und des heutigen Libanons hinaus vorsah. Für zionistische Politiker wie Begin und Scharon ergaben sich aus solchen hochfliegenden Entwürfen verbindliche politische Ziele; Israel hat seine Außengrenzen deshalb immer als provisorisch betrachtet und sich stets geweigert, sie endgültig festzulegen, sodass man ohne Übertreibung sagen kann: Im Prinzip ist Israel ein grenzenloser Staat. Von seiner inneren Dynamik her strebt er jedenfalls nach Expansion.
Sowohl Begin als auch Scharon lebten konsequent in der Vergangenheit. Vor allem Begin wurde nicht müde, Arafat mit Hitler zu vergleichen, und ging so weit, nach dem Einmarsch in den Libanon zu bekennen: »Ich fühle mich, als würde ich meine Truppen nach Berlin führen, um Hitler in seinem Bunker zu liquidieren.« Aus solchen Worten spricht eine Besessenheit, in der die Dämonen der Vergangenheit mit den Heilsversprechen der Vergangenheit eine hochexplosive Mischung eingehen. Diese Besessenheit äußerte sich nun in dem Projekt, ein israelisches Protektorat namens Libanon zu errichten, in dem für Palästinenser selbstverständlich kein Platz wäre. Die PLO und Arafat kamen in diesem Zusammenhang nur als Elemente vor, die es auszulöschen galt – Begin machte keinen Unterschied zwischen PLO-Mitgliedern und Nazis. Für ihn war selbst der Jude Bruno Kreisky ein Antisemit.
Scharon bereitete also die Invasion vor, und Ehud Barak, jener Mann, auf dessen Erfahrung die israelische Regierung schon bei dem vierfachen Mord in der Rue Verdun gesetzt hatte, arbeitete die Details des Angriffsplans aus. Nun gehört es zu den Gepflogenheiten der zivilisierten Welt, einen Grund vorweisen zu können, der einen Angriff rechtfertigt. In der Regel ist das eine Provokation der Gegenseite. Israel bombardierte
aus diesem Grund zweimal PLO-Stellungen und Flüchtlingslager im Südlibanon, um Arafat aus der Reserve zu locken
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