Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
Vom Netzwerk:
existieren; Begin erklärte in einem Interview, er nehme den Tod von fünf libanesischen Zivilisten in Kauf, wenn dabei auch nur ein einziger »Terrorist« umkomme. Die Überlebenden harrten auf wenigen Quadratkilometern aus, ohne Strom, ohne Wasser, ohne Medikamente, ohne Nahrungsmittel.
    Was man in diesen Tagen in Beirut erlebte, war im Grunde nichts Neues. Unverhältnismäßigkeit und größtmögliche Brutalität waren seit jeher ein Grundsatz israelischer Militäraktionen  – auch in der Vergangenheit waren israelische Vergeltungs- wie Abschreckungsmaßnahmen stets so dimensioniert gewesen, dass sie nicht nur Menschenleben kosteten, sondern auch einen demoralisierenden Effekt hatten. Es galt das Prinzip grenzenloser Rücksichtslosigkeit, übrigens auch gegen Ausländer. 1970 befand sich ein ägyptischer Freund von mir nach einem Besuch seiner Familie in Kairo auf dem Rückflug nach Deutschland, als seine Maschine von der israelischen Luftwaffe abgeschossen wurde – auf den Verdacht hin, das Flugzeug könnte Partisanen in den Libanon bringen. Niemand überlebte den Absturz. An Bord waren ausschließlich Zivilisten gewesen, doch nicht einmal nach einem derartigen Irrtum konnten sich die Israelis zu einer Entschuldigung durchringen. Es war nicht das einzige Mal. Auch 1976 schossen
sie eine zivile libysche Maschine ab, nachdem sie versehentlich in den Luftraum über den Sinai eingedrungen war. Siebzig Menschen starben.
    Mein alter Freund Mahmud Labadi machte sich in den furchtbaren Tagen von Beirut als Arafats Pressesprecher verdient. Ich hatte ihn als Vorsitzenden des Bonner Studentenvereins kennen gelernt, jetzt betrieb er, der neben Arabisch auch Deutsch, Französisch und Englisch beherrschte, vorzügliche Aufklärungsarbeit unter den etwa zweihundert Journalisten, die ebenfalls in der belagerten Stadt ausharrten. Nach jedem Angriff ließ Mahmud beispielsweise alles einsammeln, was israelische Bomber über Beirut abgeladen hatten, vor allem die Reste verbotener Kampfmittel wie Splitterbomben, und legte all diese Geschossteile, Hülsen und Zünder auf Tischen vor seinem Büro aus wie Krimskrams auf einem deutschen Trödelmarkt; auch er hatte die Finessen seines Handwerks im Umgang mit deutschen Journalisten gelernt.
    Und Arafat selbst entging seinen Jägern wieder und wieder. Er übernachtete nicht zweimal am selben Ort, schlug sein Hauptquartier mal in einem Schutzkeller, mal in einem Bunker, mal in einer Tiefgarage auf und war wie durch ein Wunder nie unter den Toten, wenn das nächste Gebäude, in dem er vermutet wurde, von israelischen Bomben getroffen einstürzte. Dabei verfolgten die Israelis seine Bewegungen genau und waren oft sogar über den geplanten Tagesablauf von Arafat informiert, etwa am 6. August, als er mit russischen Diplomaten in einem zwanzigstöckigen Hochhaus verabredet war. Fünf Minuten nach dem vereinbarten Termin bombardierte die israelische Luftwaffe das Gebäude; es fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Hundertzwanzig Menschen starben in den Trümmern, aber Arafat blieb unverletzt – er hatte den Termin verstreichen und den Diplomanten durch einen Boten ausrichten lassen, nicht auf ihn zu warten. Arafat selbst sprach von dreizehn gezielten Anschlägen auf seine
Person allein während der Belagerung von Beirut; sie schlugen allesamt fehl.
    Zwei Wochen nach Kriegsbeginn belief sich die Zahl der getöteten Palästinenser und Libanesen auf 15 000, eine halbe Million Menschen waren auf der Flucht. Aber die israelische Militärführung, die mit einem schnellen und durchschlagenden Erfolg gerechnet hatte, war weiter denn je davon entfernt, ihre Kriegsziele zu erreichen. Zum einen, weil Arafat alle Vorkehrungen für den Verteidigungsfall getroffen und Vorratslager mit Nahrungsmitteln, Waffen und Munition angelegt hatte. Zum anderen, weil im Libanon jene Fehler vermieden wurden, die den Palästinensern in Jordanien zum Verhängnis geworden waren. Mit dem Erfolg, dass sich ein Teil der libanesischen Bevölkerung mit den belagerten Palästinensern solidarisierte, fast jeder Bewohner des umkämpften Stadtteils sich in irgendeiner Weise an der Verteidigung beteiligte und Bäcker wie Restaurantköche auf Hochtouren arbeiteten, sodass die Kämpfer täglich ihre warme Mahlzeit erhielten – anders hätte man den Angriffen der Israelis auch unmöglich volle achtundachtzig Tage standhalten können. Und zum dritten, weil das palästinensische Volk lange vor dem Ende des Kriegs bereits als

Weitere Kostenlose Bücher