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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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moralischer Sieger feststand.
    Obwohl sich die Öffentlichkeit mittlerweile daran gewöhnt hatte, dass alle so genannten Gegenschläge Israels in einem schwer zu definierenden, gewissermaßen höheren Sinne rechtmäßig waren, ergriff so gut wie die ganze Welt in diesen Wochen für die Palästinenser Partei, während das internationale Presseecho für Israel verheerend ausfiel. Aber sogar in Israel selbst zerbrach zum ersten Mal der nationale Konsens: Hunderttausende Israelis demonstrierten gegen eine Regierung, die einen sinnlosen Krieg vom Zaun gebrochen hatte; israelische Soldaten verweigerten Einsatzbefehle, Persönlichkeiten der jüdischen Weltgemeinde wie Nahum Goldmann riefen zur Beendigung des Kriegs auf. Selbst der amerikanische Präsident
Ronald Reagan, von den Israelis vorab über den Einmarsch in den Libanon unterrichtet, gewann mit der Zeit den Eindruck, dass Israel zu weit gehe, und protestierte gegen die Bombardements. Welchen Schaden das Israelbild der Deutschen in dieser Zeit nahm, beweist ein Rundfunkkommentar des langjährigen Nahostkorrespondenten des WDR, Erwin Behrend. Er ist stellvertretend für zahllose andere Stellungnahmen in deutschen Medien, die sich im Tenor kaum unterschieden:
    »Die Israelis befinden sich heute im Libanon dort, wo sich die Amerikaner während des Vietnamkriegs nach ihren größten Siegen befanden. Damals irrten die Amerikaner, als sie sich der Illusion hingaben, sie könnten den Vietcong in die Unterwerfung bombardieren. Heute lernen die Israelis von den Palästinensern die gleiche Lektion: Überlegene Waffen bedeuten keine politische Lösung. Premierminister Begin spricht von Mördern, wenn er an die Palästinensische Befreiungsorganisation denkt, und trotzdem verlieren die Israelis jetzt zum ersten Mal einen Propagandakrieg, weil nach zehntausenden Toten im Libanon ihr Anspruch auf moralische Überlegenheit in Zweifel gezogen wird. Man weiß inzwischen, wer David und wer Goliath ist …
    Als Faktor der Nahostpolitik ist die Palästinensische Befreiungsorganisation noch nie so ernst genommen worden wie jetzt, nach ihrer militärischen Niederlage, die von den Palästinensern nunmehr umgemünzt wird in einen politischen Sieg. Es ist die bittere Ironie der Geschichte, dass die Israelis, die diesen Krieg begannen, um den palästinensischen Nationalismus zu liquidieren, sich sechs Wochen später damit abfinden müssen, dass das Verständnis in der Welt für die Schaffung eines palästinensischen Heimatlandes wächst.«
    So war die Stimmung. Arafat ließ sich übrigens auch nach den schrecklichsten Bombardements nicht zu antiisraelischen oder antisemitischen Äußerungen hinreißen und bedauerte in
einem Interview die Unmöglichkeit, sich auf direktem Weg an die Bevölkerung Israels zu wenden – er sei sicher, sagte er, bei den Menschen in Israel mehr Gehör zu finden als bei der Regierung Israels. Zutiefst enttäuscht hingegen war Arafat von zwei anderen Mitwirkenden in diesem Drama: den USA – und den arabischen Bruderländern.
    In den zweieinhalb Monaten des längsten und gnadenlosesten Kriegs in der Geschichte des Nahostkonflikts wartete Arafat vergeblich auf einen praktischen Beitrag der arabischen Staaten zum Überlebenskampf der Palästinenser im Libanon. Zerstrittenheit und Ohnmacht der Araber hatten ein nie gekanntes Ausmaß erreicht, sie verhinderten sogar eine gemeinsame Erklärung zur Verurteilung des israelischen Vorgehens. Arafat fühlte sich zu Recht im Stich gelassen – übrigens auch von der Sowjetunion, die dringend benötigte Waffensysteme nicht lieferte mit dem Argument, sie könnten in die Hände der Israelis, und damit der Amerikaner, fallen. Und was die USA angeht: Reagans Proteste waren kaum mehr als eine väterliche Ermahnung an die Israelis, nicht über die Stränge zu schlagen. Nach wie vor zu einer eigenen Nahostpolitik unfähig, hatten sich die Amerikaner die israelischen Kriegsziele zu eigen gemacht – mit anderen Worten: Reagan war ein Gefangener Begins. Bei den Verhandlungen des amerikanischen Vermittlers Philip Habib war dann auch gar nicht die Rede vom Schicksal der Opfer, der Hinterbliebenen, der Verletzten und Flüchtlinge. Die einzige Frage, die Amerikaner und Israelis bewegte, lautete: Wohin mit den sechstausend Fedajin nach einem Waffenstillstand?
    Mehr als ein ehrenhafter Abzug war unter diesen Umständen nicht herauszuholen, und etwas anderes als ein Rückzug aus der Stadt blieb Arafat angesichts der Hartnäckigkeit Scharons

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