Der Gesang der Haut - Roman
sei Dank, weder begehrt noch konsumiert hat, ist seine Tochter. Er verschlang allerdings ihre Freundinnen mit den Augen, was einer heranwachsenden Tochter fürchterlich peinlich ist, wie Sie sich denken können. Bald kamen nur noch die Hässlichsten ins Haus, denen er den Eindruck vermittelte, dass auch sie liebenswert seien.
Sie nahm drei Salzstangen aus der Schale und zerbrach sie in der Mitte.
Ich konnte damit leben. Er brauchte diese Bestätigung, wollte an seinen Charme glauben, musste seine Verführungskünste immer wieder ausprobieren. Mein Mann ist kein Einzelfall. Mein Gott, diese Banalität …
Viktor schaute verzweifelt auf die sich bewegenden roten Lippen der Frau, die Silben mahlte, die er nur noch schlecht verstand, es ist alles so trivial, murmelte sie.
Er hörte Triade, Trial, wagte nicht nachzufragen, sie war in Fahrt gekommen, nicht zu bremsen, das sah er doch: Ach, sagte sie, mein Leben habe ich nicht als Einzelfall gesehen. Die Seitensprünge meines Mannes wollte ich nicht dramatisieren.
Und Fischer?
Sie betrachtete Viktor, beunruhigt wie eine Schülerin, die nach dem Vortrag die Beurteilung des Lehrers erwartet.
Fischer ist ein übler Mensch. Er ist auf die schiefe Bahn geraten. Viktor, ich wollte Ihnen jetzt nur sagen, dass ich mich und die Liebeslaunen meines Manns nie so wichtig genommen habe. Außerdem verliebte er sich, falls man von Verlieben sprechen kann, in Verkäuferinnen, hübsche Putzhilfen, Friseusen, Arzthelferinnen, alles junge Frauen, die ihn bedienten. Gibt es einen Namen für die männliche Liebe von Akademikern zu Dienerinnen? Kann man vom Soubrettenkomplex sprechen? Nein, ich machte mir keine Sorgen, auch wenn es mich verletzte oder mir nur peinlich war, wenn er vor meinen Augen der Kellnerin auf den Busen schielte und ihr über der Scheckkarte einen Blick zuwarf, der vor lauter Anbetung glasig wurde. Diese Frauen waren keine ernst zu nehmende Konkurrenz, und ein Mann, der die Schönheit der Frauen nicht mehr wahrnimmt, ist ein toter Mann, sagte ich mir, und außerdem war das Ganze ein Spielchen, ja, er spielte gern, merkte nicht, wie demütigend es war. Ich konnte meinen lebenshungrigen Gert sogar verstehen. Ich bin nie hübsch gewesen, mein Verstand stört meinen Mann mehr, als er ihm dient.
Hum, unterbrach Viktor, aber Fischer …
Alles ging bis zu dem Tag gut, als ich Gert in Gesellschaft einer eleganten Frau meines Alters erblickte, an einem Samstag, an dem ich ihn auf dem Golfplatz wähnte und selbst in Köln flanierte. Ich folgte den beiden und sah zu, wie er mit dieser Frau in ein Haus eintrat. Als er mir am Abend frech von seinem herrlichen Golfnachmittag erzählte, konnte ich mich noch beherrschen und verließ zähneknirschend das Zimmer, um meinen Ärger, ja meine Empörung nicht zu zeigen. Und ich wollte sie nicht zeigen. Tief verletzt war ich nicht, auch nicht tief beunruhigt, nur ärgerlich, der Sache überdrüssig. Auch dieses Abenteuer würde vorbeigehen, dachte ich. Bis zu dem Tag, an dem einer seiner Golfpartner anrief und mich fragte, warum Gert nur noch so selten auf dem Golfplatz erschien. Er habe ihn dort seit Monaten nicht mehr gesehen, ob vielleicht etwas passiert sei? Ich erfand aus dem Stegreif einige fromme Lügen.
Und Fischer?, seufzte Viktor.
Gerts neue Liebe dauerte also Monate an. Da habe ich diesen schmierigen Typ, den Detektiv Fischer, eingesetzt. Ich wollte wissen, wer diese Frau war, mit der mein Mann jeden Samstagnachmittag verbrachte und sicher auch den Mittwochnachmittag.
Frau Gerlach räusperte sich, schaute an Viktor vorbei, der ihr, ohne sie zu fragen, ein zweites Glas Cognac einschenkte. Sie saß mit geneigtem Kopf, die Hände gekreuzt im Schoß, und sprach nicht sofort weiter. Als sie mit einer brüsken Bewegung das Gesicht hob und ihr Haar nach hinten warf, traf ihn ein verzweifelter Blick. Es dauerte einige Wochen, sagte sie, bis dieser Fischer etwas erfuhr, allerdings waren seine Recherchen gründlich. Die neue Frau im Leben meines Manns hieß Carolin Leitner und hatte zur gleichen Zeit wie mein Mann Medizin studiert, war wenige Jahre jünger als er. Ich wusste, dass Gert während seiner Studienjahre in eine Kommilitonin verliebt gewesen war und mit ihr eine lange Beziehung gehabt hatte. Irgendwann wechselte mein Mann den Studienplatz, und die beiden verloren sich aus den Augen. Ich habe nie erfahren, warum Gert Heidelberg verließ, wo er sein Studium begonnen hatte. Er ist dann für ein Studienjahr nach Amerika
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