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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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und später mit vierzig, fünfundvierzig, wurde sie krank, depressiv, hat aufgehört zu arbeiten, wohnte in Köln im Haus ihrer Eltern.
    Hat sie damals ihr Studium aus Liebeskummer geschmissen?
    Klaras Worte in Paris fuhren ihm durch den Kopf: Für dich schmeiße ich mit Begeisterung alles, was bis jetzt mein Leben ausmachte, weg. Ein neues Leben fängt an! Zu zweit, sagte Viktor, wir fahren nach Hause. Sie lagen in einem kleinen Hotelzimmer im zwanzigsten Arrondissement, wie im Film: Die verliebte Straßensängerin, der verliebte Student, unschuldig, glücklich, naiv.
    Sie nehmen sich unsere Geschichte sehr zu Herzen, Viktor, sagte Frau Gerlach, ich sehe es Ihnen an. Vielleicht war diese Leitner auch nicht fleißig oder nicht intelligent genug, vielleicht fraß ihr das Brotverdienen zu viel Zeit und Energie. Sie musste arbeiten. Sie hatte einen Job im Sekretariat der medizinischen Fakultät und finanzierte damit ihr Studium. Als Gert sie in Köln wieder traf, hat er sich, sagte er, schuldig gefühlt, obwohl Schuldgefühle bei ihm rar sind. Sie war kein reiches Nesthäkchen wie er, der aus einer sehr wohlhabenden Arztfamilie kommt, ebenso wie Sie, lieber Viktor.
    Nun, Sie sprachen von einem Geheimnis.
    Frau Gerlach atmete tief, bevor sie den Sprung ins kalte Wasser wagte. Sie presste die Knie enger zusammen, umarmte sie und beugte den Rücken:
    Gert hat vor fünfunddreißig Jahren sein Physikum gefälscht, sagte sie Richtung Teppich. Er war schon zweimal durchgefallen. Diese Carolin verfügte im Sekretariat über Unterlagen und Stempel, sie hat ihm geholfen. Ohne diese Fälschung wäre er nie Arzt geworden.
    Viktor streckte sich, schüttelte den Kopf, wagte ein »ach, so was«, das nicht dramatisch klingen sollte. Henrietta hob wieder das Gesicht und Viktor meinte zu beobachten, dass ihr grauer Teint sich belebt hatte. Diese Art zu erröten stand ihr gut. Er wiederholte jetzt für sich ihre Worte, das Physikum gefälscht, wehrte sich schwer gegen einen Lachanfall. Er sagte hinter der Hand:
    Das Physikum gefälscht und weiterstudiert. Sie hat ihm tatsächlich geholfen?
    Sie hat die Formulare selbst ausgefüllt und gestempelt, seine eigene Leistung war, die Unterschrift des Professors zu fälschen, das konnte er besser.
    Es folgten zwei Seufzer und ein längeres Schweigen, in dem Viktor die schnelle Atmung von Frau Gerlach hörte. Bei jedem Atemzug wogte ihre Goldkette auf der Brust.
    Viktor, sagte Frau Gerlach, als der Detektiv Sie besucht hat, wollte er Ihnen noch nichts verraten, er wollte nur mir damit signalisieren, dass Sie der Erste sein würden, den er unterrichten wollte, falls ich nicht bezahle. Er geht davon aus, dass Sie danach die Sache weitertratschen, vielleicht sogar der Ärztekammer melden. Falls Sie nichts unternehmen, würde er zur Staatsanwaltschaft gehen und auf jeden Fall Gerts Betrug der Ärztekammer melden.
    Und Sie haben es vorgezogen, direkt zu mir zu kommen.
    Eine Flucht nach vorn. Ich vertraue Ihnen, ich vertraue Ihrer Diskretion, Ihrem Mitgefühl.
    Danke, Frau Gerlach.
    Das Physikum, fuhr sie fort, ist eine blöde Prüfung, die nichts über die Qualität eines zukünftigen Arztes aussagt. Das wissen Sie doch. Mein Mann hat dann an anderen Fakultäten im Ausland und Inland erfolgreich weiterstudiert. Er hat seinen Beruf sehr gewissenhaft ausgeübt. Er hat niemandem geschadet, wahrscheinlich weniger falsche Diagnosen gestellt als andere. Gerade dieser Makel in seinem Lebenslauf hat ihn angespornt, hart zu arbeiten, sich immer weiterzubilden, kurz gesagt, ein hervorragender Arzt zu werden, Viktor, ganz abgesehen von den juristischen Folgen, die mir nicht klar sind, aber jetzt, nach so vielen Jahren, wahrscheinlich unerheblich sind, mein Mann verdient diese Schmach nicht, die Aberkennung seines Arztdiploms und die Schande, die eine Veröffentlichung seiner Tat mit sich brächte. Ich sehe schon die Titel in der Zeitung und das Grinsen der Kollegen.
    Er ist doch krank, warf Viktor ein, ob er den ganzen Rummel mitkriegen wird?
    Der erschrockene Blick von Henrietta ließ ihn sofort diese Bemerkung bereuen.
    Noch ist er bei Sinnen, und ich werde diesen Rummel, wie Sie sagen, auf jeden Fall mitkriegen.
    Sie lieben Ihren Mann sehr, sagte Viktor.
    Ob er Klara von dieser Geschichte erzählen könnte? Wie zügelt man seine Zunge bei einem solchen lächerlichen Geheimnis, wenn sich die Gelegenheit ergibt, mit Klara eine Art Komplizenschaft einzugehen, die eigenen Sorgen mit den viel schlimmeren

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