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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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mit Javids Vater zu tun hatte, der nicht mehr da war, genauso, wie meine Mutter nicht mehr da war.
    Irgendwann würde ich Javid vielleicht danach fragen.
    Nach dem Essen half ich Freda beim Abräumen und bedankte mich. »Ich habe noch nie so köstlichen Fisch gegessen.«
    Â»Schon gut«, sagte Javids Mutter. »Ich freue mich, dass du unser Gast warst und dass es dir geschmeckt hat.«

7. Kapitel
    M üde und satt stieg ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf und hatte nur noch mein Bett im Sinn, so erledigt war ich von diesem Tag. Aber Javid kam mir mit schnellen Schritten hinterher. »Willst du schon schlafen?«, fragte er.
    Es war noch nicht spät, aber ich drehte mich zu ihm um und nickte. »Ich bin ziemlich k. o.«
    Â»Schade, sonst hätte ich dir noch was Schönes gezeigt.« Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Â»Was denn?«, wollte ich wissen. Ich war wirklich müde, aber neugierig war ich auch.
    Â»Das ist ein Geheimnis.« Er lächelte. »Aber du musst dich schnell entscheiden, sonst ist es zu spät.«
    Â»Okay«, sagte ich, »dann zeig es mir.«
    Â»Zieh was drüber und komm vor zur Straße. Aber beeil dich«, sagte er nachdrücklich.
    Ich trabte die Holzstufen hinauf, holte meine rote Jacke aus dem Zimmer und lief den schiefen Plattenweg vor zur Straße. Ein alter weißer Pick-up mit etlichen großen und kleinen Roststellen hielt neben mir und die Beifahrertür ging auf. »Nun steig schon ein!«, sagte Javid. » Er sieht zwar nicht mehr toll aus, aber er fährt.«
    Ich kletterte auf den Beifahrersitz, dessen Kunstlederbezug so große Löcher hatte, dass brüchiger gelber Schaumgummi zum Vorschein kam. »Wohin fahren wir?«, fragte ich, nachdem ich die Tür kräftig zugeschlagen hatte. Ich war noch nie zu einem Fremden ins Auto gestiegen. Schon gar nicht, ohne zu wissen, wohin die Reise gehen sollte. Aber irgendwie erschien mir Javid überhaupt nicht mehr fremd. Und das, obwohl ich ihn erst seit gestern kannte.
    Â»Wirst du gleich sehen«, meinte er vergnügt.
    Javid Ahdunko fuhr ein Stück die breite Hauptstraße am Meer entlang, bis wir an ein paar Häusern vorbei in einen Mischwald kamen und die asphaltierte Fahrbahn aufhörte. Der alte Pick-up holperte durch tiefe, wassergefüllte Schlaglöcher. Ich klammerte mich an irgendwelchen Griffen fest, um nicht hin und her geschleudert zu werden und mir dabei Beulen einzuhandeln.
    Â»Der andere Weg zum Kap ist besser, aber dieser hier ist kürzer«, erklärte Javid. »Gleich sind wir da.«
    Ich war beeindruckt, wie geschickt er den Kleinlaster steuerte, obwohl er mit 16 noch keine allzu lange Fahrpraxis haben konnte. Vorsichtshalber fragte ich mal nach: »Wie lange kannst du denn schon Auto fahren?«
    Â»Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich 12 war«, sagte er und mir wurde klar, dass sein Leben vollkommen anders war als meins. Wir hätten unterschiedlicher nicht sein können und doch saßen wir zusammen in diesem rostigen Gefährt. Ich wusste immer noch nicht, warum Javid Ahdunko mir seine Zeit opferte, aber aus irgendeinem Grund schien er Spaß daran zu haben. Vielleicht gefiel es ihm, mich verblüffen zu können, mit Dingen, die für ihn ganz selbstverständlich waren.
    Â»Bei uns in Deutschland darf man den Führerschein erst machen, wenn man 18 ist«, sagte ich.
    Javid pfiff leise durch die Zähne. »Wirklich? Das ist ja schrecklich.«
    Ãœber sein mitleidiges Gesicht musste ich lachen. Javid Ahdunko brachte mich zum Lachen, einfach so. Dafür mochte ich ihn.
    Wir hielten auf einem kleinen Parkplatz mit einer großen Tafel, auf der etwas von einem Cape-Flattery-Pfad stand. »Okay«, sagte Javid, als wir ausgestiegen waren, »da geht es entlang.« Es hatte schon vor einiger Zeit aufgehört, zu regnen, und nun verzogen sich die letzten grauen Wolken nach Süden. Über den schwarzen, zerzausten Wipfeln der hohen Nadelbäume war der Himmel von einem violetten Rot.
    Â»Es wird gleich dunkel«, protestierte ich lahm, »und ich soll jetzt noch einen Wanderpfad durch den Wald laufen. Was hast du überhaupt vor?«
    Statt einer Antwort schnappte Javid meine Hand und zog mich hinter sich her. »Nun stell dich nicht so an, Copper, und frag nicht so viel. Vertrau mir einfach.«
    Mir blieb gar nichts anderes übrig.
    Der Weg führte in einen Wald

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