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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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muss aber vorher noch für meine Mutter im Supermarkt einkaufen. Ich hätte nichts dagegen, wenn du mitkommst und mir hilfst.«
    Â»Klar«, sagte ich. »Will nur schnell meine Farben zusammenpacken.«
    Wir machten in Washburne’s General Store einen Großeinkauf für Freda Ahdunko. Wieder zurück im Motel, half ich Javid die Lebensmittel in die Küche zu tragen, während seine Mutter sie im Kühlschrank, in der Tiefkühltruhe auf dem Gang und in den Küchenschränken verstaute.
    Â»Habt vielen Dank, ihr beiden«, sagte sie, bevor sie sich direkt an mich wandte: »Was hast du denn heute für Pläne, Sofie? Dein Vater wird sicher nicht vor Nachmittag aus Port Angeles zurückkommen. Wenn du dich langweilst …« Sie warf Javid einen fragenden Blick zu.
    Â»Wir fahren rüber zum Sooes Beach, Mom«, sagte er. »Brauchst mit dem Mittagessen nicht auf mich zu warten.«
    Das klang viel versprechend und mein Herz hüpfte vor Freude. Als wir mit dem Pick-up losfuhren, riss der Himmel auf und die Sonne begann sofort zu wärmen. Javid fuhr langsam die Hauptstraße entlang, darauf bedacht, keines der Kinder zu gefährden, die sich mit ihren Fahrrädern und buntem Plastikspielzeug mitten auf der Straße tummelten.
    Â»Sie freuen sich über die Sonne«, sagte er. »Es ist selten, dass sie schon so früh am Morgen da ist.«
    Ich hielt elf Uhr nicht für früh, aber in Neah Bay schien auch die Zeitrechnung eine andere zu sein. Eile kannten die Makah nicht. Niemand hetzte, alles ging gemütlich und mit stoischer Gelassenheit vonstatten. Nach den beiden Jahren in der hektischen Großstadt fühlte ich mich hier pudelwohl und schob den Gedanken, irgendwann wieder fortzumüssen, sehr weit weg.
    Erwartungsvoll blickte ich auf die graue Straße vor uns. Irgendwann bog Javid nach links ab und wir kamen am Krankenhaus von Neah Bay vorbei. Es war ein grauer Bretterbau, eine Art Baracke mit einem bunten Totempfahl davor und machte von außen einen ordentlichen Eindruck auf mich. Aber vielleicht hatte Freda ja schlechte Erfahrungen mit dem hiesigen Zahnarzt gemacht und meinem Vater deshalb geraten, mit seinem vereiterten Zahn lieber in die Stadt zu fahren.
    Hinter dem Ort erhoben sich rechts zwei bewaldete Berge auf Cape Flattery. Javid nannte mir ihre Namen. Es waren der Bahokus Peak und der Archawat Peak. Linker Hand erstreckte sich eine saftig grüne Wiese, durchschnitten von einem breiten, träge dahinfließenden Fluss. Es war der Waatch River.
    Javid Ahdunko erwies sich als erfahrener Reiseführer und erklärte mir eine Menge. Ich stellte ihm auch viele Fragen. Vor allem aber fragte ich mich, wie viele fünfzehnjährige Touristinnen er schon im Reservat umhergefahren und geküsst hatte, bevor ich in seine Hände geraten war. Aber diese Frage behielt ich natürlich für mich.
    Nach ungefähr vier Meilen tauchte am Fuß der Berge ein Gebäudekomplex auf und Javid hielt an. Er stellte den Motor ab und sagte: »Wir sind gestern Abend schon mal hier vorbeigefahren, aber da war es dunkel. Was du da drüben siehst, ist der Sitz unseres Stammesrates. Im Zweiten Weltkrieg war es eine Aufklärungsbasis der US-Armee. Neah Bay war damals ein wichtiger strategischer Punkt und die Amerikaner hofften von hier aus rechtzeitig erkennen zu können, ob die Japaner einen Angriff planen.« Er schüttelte den Kopf und stieß ein trockenes Lachen aus. »Meine Großmutter hat mir manchmal aus dieser Zeit erzählt. Es war wohl seltsam, plötzlich Militär im Ort zu haben. Uniformierte Männer mit Gewehren. Aber die amerikanische Armee war unseren Leuten dann doch lieber als irgendwelche schlitzäugigen Herren aus Asien.«
    So, so, dachte ich und besah mir seine schönen, schrägen Augen.
    Javid startete den Motor wieder und bald kamen wir zu einer Stelle, an der links ein unbefestigter Fahrweg von der Asphaltstraße abzweigte und über eine Holzbrücke führte. »Ich würde deine Großmutter gerne kennen lernen«, sagte ich. »Meine einzige Großmutter ist sehr krank und ich fürchte, sie lebt nicht mehr lange. Sie war immer ganz schön streng zu mir.«
    Â»Meine Großmutter ist schon vor ein paar Jahren gestorben«, sagte Javid. Kurz vor dem Abzweig hatte ich das Gefühl, als ob er zögern würde, aber dann fuhr er doch geradeaus weiter.
    Â»Das tut mir

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