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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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Abends, obwohl keiner der Männer sie auf seine Kline holen durfte. Gegen Neaira verblassten die anderen Mädchen in Nikaretes Haus zu einem Haufen Asche.
    Neaira fühlte sich jedoch nur wenig geschmeichelt ob der großen Beachtung. Sie wusste, dass ihre zunehmende Berühmtheit in Korinth aus dem Geltungsdrang einzelner Männer geboren worden war, die sich mit einem Mädchen schmücken wollten, dem ein berühmter Mann wie Simos verfallen war. Sie selbst fand sich nicht hübscher als Lais oder einige Mädchen in Nikaretes Haus; vielleicht ihre Augen, so überlegte sie oft, besaßen einen Ausdruck, der Männern gefiel. Neaira dachte praktisch und zweifelte sogar daran, dass Helena so schön gewesen war, wie Homer sie beschrieben hatte. Vielmehr war sie davon überzeugt, dass es männliche Eitelkeit gewesen war, die das Buhlen um sie in Gang gesetzt hatte. Nicht allein auf Schönheit kommt es an; es braucht jemanden, den sie hoch achten und bewundern und der sich für eine Frau närrisch benimmt. Dann erst fangen sie an dich zu begehren und nennen dich im gleichen Zuge mit Aphrodite! Neaira war sich bewusst, dass Simos nicht wie Lysias war, der Metaneira um ihres Wesens willen geliebt hatte. Simos war ein launischer Mann, der es gewohnt war alles zu bekommen was er begehrte und demnach schnell das Interesse verlor, wenn er meinte, es erst zu besitzen; und seine Wette hatte er mittlerweile gewonnen. Er hatte es Neaira beiläufig mitgeteilt, als wäre es nichts besonders.
    Dass seine Verliebtheit zu Neaira weiterhin anhielt, war dem Umstand zuzuschreiben, dass sie erst durch ihn selbst berühmt geworden war und er wiederum etwas besitzen wollte, das auch alle anderen Männer begehrten – etwas, das seinen Kampfgeist nährte.
    Als Neaira zum zweiten Mal in ihrem Leben durch die Stadttore Athens kam, hatte sie beschlossen Simos so zu umgarnen, dass er alles bereit war zu geben, um sie endlich von Nikarete freizukaufen. Es wurde Zeit, ehe seine Gefühle für sie erkalteten. Klug tat sie Schritt für Schritt, bat ihn, nachdem sie sich geliebt hatten, dafür zu sorgen, dass sie mehr Zeit ohne Nikarete in Athen verbringen konnten. Simos zahlte Nikarete auf ihr Drängen noch mehr Geld, damit er sich mit Neaira allein in den Straßen Athens und auf Symposien zeigen konnte. Zudem kaufte er ihr wunderschöne Peploi und einen golddurchwirkten Chiton, dessen Stoff so fein war, dass er mehr von ihrem Körper zeigte als er verbarg.
    Neaira erschien wie ein frischer Wind in der gemäßigten Athener Gesellschaft, jung, aufreizend und schlagfertig - und da sie kostbar gekleidet war und in Begleitung Simos erschien, dachten alle sie sei seine Hetäre.
    Simos tat nichts dafür, die Athener aufzuklären. Natürlich schmeichelte es ihm viel mehr, Neaira als Hetäre denn als Sklavin vorzustellen.
    Auf einem Symposion, auf dem Neaira das freizügige golddurchwirkte Gewand trug, erschien überraschend Lysias Freund Philostratos. Neaira erkannte ihn sofort, auch wenn er nun einen Bart trug und ein wenig runder um den Leib geworden war. Sein Auftauchen war wie eine alte Wunde, die unerwartet aufbrach und zu schwären begann.
    Neaira war jetzt eine Frau, bewundert und begehrt – doch Philostratos Anblick machte all das zunichte. Unwillig betrachtete sie den Mann, den sie als Kind so sehr bewundert und der sie fortgejagt hatte als wäre sie ein streunender Hund. Auch Philostratos erkannte sie, in seinem Blick zeigte sich zuerst Erstaunen, dann peinlich berührter Unmut. Er ließ sich auf einer der Speiseklinen so weit wie möglich abseits von ihr nieder. Dann begann er ein Gespräch mit einem der Männer. Die Symposien Athens unterschieden sich von Nikaretes Festen nicht zuletzt darin, als dass der Umgangston weniger rau war und die Männer sich um Gesprächsthemen bemühten, die klug und gebildet waren. Noch immer ekelst du dich vor mir , dachte Neaira gekränkt. Sie sah hinüber zu Simos, der auf einer eigenen Kline lag und durch ein Gespräch abgelenkt war.
    Neaira fasste einen Entschluss. Philostratos war ein Mann wie jeder andere, auch wenn er sich überlegen gab – und genau dies wollte sie ihm vor Augen führen.
    „Morgen wird die Göttin Athene ihr neues Gewand erhalten“, hörte sie Philostratos zu seinem Klinennachbarn sagen. Dieser erwiderte, dass das wohl der wichtigste und heiligste Teil der Panathenäen wäre. Die anwesenden Hetären bezeugten mit begeisterten Rufen ihre Zustimmung und hoben ihre Weinschalen, um die Göttin zu

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