Der Gesang des Wasserfalls
MacGregor.«
»Wie lange braucht man bis dahin?«
»Weniger als zwei Stunden. Jahrelang war die Straße in einem furchtbaren Zustand. Jetzt ist sie ausgezeichnet. Die beste im Land.«
Das dürfte nicht schwierig sein, dachte Matthew, als das Auto über die nächsten Schlaglöcher rumpelte.
Sie bogen ins Zentrum der Stadt ein. Jetzt weiteten sich die Straßen zur breiten Avenuen, und er konnte die Einflüsse besser erkennen, von denen diese Stadt geformt worden war, die unter den Franzosen Longchamps und unter den Holländern Stabroek geheißen und von den Engländern den Namen Georgetown erhalten hatte.
»Das hier ist die Hauptstraße. Hier stehen viele wichtige Gebäude. Und es ist immer viel Betrieb. Gefährliche Gegend für Raubüberfälle und Taschendiebstähle. Die Diebe treiben sich bei den Guyana Stores, der Bank, dem Town Hotel herum. Passen Sie auf Ihre Uhr und Ihren Geldbeutel auf. Ihre weibliche Begleitung sollte keinen Schmuck tragen«, riet Prashad mit erhobenen Augenbrauen und einem schwachen Lächeln.
Sie fuhren parallel zu großen, offenen Abflusskanälen mit grasbewachsenen Einfassungen, die zu Matthews Erstaunen relativ sauber wirkten, trotz des überall herumliegenden Abfalls. »Hat man die als Kanalisation oder als Flutwasserkanäle gebaut?«, fragte er Prashad.
»Die Franzosen begannen mit der Stadtplanung, aber erst die Holländer errichteten die eigentliche Stadt mit Straßen in einem rechtwinkligen Gittermuster auf altem Plantagenland. Georgetown liegt unterhalb des Meeresspiegels, daher bauten sie die Mole entlang der Küste. Dann weiteten sie das Entwässerungssystem der Plantagen aus, bauten Schleusen, Siele und Dämme, um die Gezeiten, die Flüsse und Überflutungen in den Griff zu bekommen. O ja, sehr geschickte Leute, diese Holländer. Die Zuckerindustrie benutzte die Kanäle zum Transport des Zuckerrohrs. Durch die Überflutungen werden die Kanäle ausgespült.«
»Danke für die Einführung«, sagte Matthew.
»Gern geschehen. Guyana ist ein interessantes Land. So viele europäische Einflüsse durch die Kolonialmächte. Fügen Sie die afrikanischen Sklaven, uns Inder, die Portugiesen, die Chinesen und die Indios, die Ureinwohner des Landes, hinzu, dann erkennen Sie, dass wir eine ganz hübsche Mischung abgeben. Ich werde Ihnen einige der alten Häuser mit ihrer multikulturellen Architektur zeigen.«
»Also, das ist wenigstens etwas, was mir bekannt vorkommt – das Multikulturelle.«
Matthew betrachtete das chaotische Gewimmel von Menschen auf Fahrrädern, zu Fuß und in uralten, zerbeulten und vielfach reparierten Autos. Gelegentlich tauchte ein teures deutsches oder amerikanisches Modell auf, dessen Insassen hinter getöntem Glas verborgen waren, und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Einst hatte die Hauptstraße den Anspruch gehabt, ein Boulevard zu sein, mit einem begrünten Mittelstreifen, auf dem blühende Samanbäume standen, von denen rote und goldene Blüten herabregneten. Aber das Chaos auf den Straßen lenkte von dem großzügigen Entwurf der ehemaligen Stadtväter ab.
»Da, schauen Sie, dort stehen einige der im Plantagenbesitzer-Stil erbauten Häuser«, sagte Prashad. »Sie wurden hoch über dem Boden gebaut, um nicht vom Flutwasser weggespült zu werden und Platz für die Tiere zu haben. Jetzt wird dieser Bereich hauptsächlich zum Wäschewaschen und für die Dienstbotenquartiere benutzt.«
»Mir gefallen die Veranden und die Holzarbeiten«, sagte Matthew.
»Die Veranda ist ein wichtiger Bestandteil. Sehr nötig bei unserem heißen Klima, um die nordöstlichen Winde auszunutzen«, meinte Prashad.
Wie große alte Damen, die schwere Zeiten durchmachen müssen, hatten sich die Häuser einen Anschein von Würde und ehemaliger Pracht bewahrt, trotz der derzeitigen Schande vornehmer Armut.
»Das da drüben sieht aber gut aus. Was ist das?« Matthew deutete auf ein großes, zweistöckiges Gebäude mit geräumigen Veranden, frisch gemähten Rasenflächen und blühenden Bäumen, deren Zweige über eine hohe Steinmauer hingen.
»Ah ja, das ist der Georgetown Club. Sehr feudal, sehr schwer, da hineinzukommen. Der beste Club in der Stadt. War er schon immer. Natürlich in früheren Zeiten nur den Briten vorbehalten.«
»Und jetzt … was braucht man, um da aufgenommen zu werden?«
»Das wird vom Komitee entschieden … Geld, Ansehen, Status. Aber es ist ein guter Club. Alle möglichen Leute sind Mitglied. Ist jetzt mehr gemischt. Sagen Sie Mr. Johns, er
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