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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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das Wasser weiß schäumend und gurgelnd um die aufragenden Felsen herum. Madi klammerte sich an ihrem Sitz fest und bewunderte die Geschicklichkeit des Bugmannes, sie aus der Gefahrenzone herauszuhalten. Jacob rief Lester auf kreolisch Steuerkommandos zu, benutzte sein Paddel, um den Bug in ruhiges Wasser zu lenken oder das Boot von Felsen abzustoßen und geleitete sie so durch die Stromschnellen in das ruhige, tiefe, langsamer fließende Wasser stromauf.
    »Na, wie war das, Miss Madison?«, brüllte Lester über das Dröhnen des Motors hinweg.
    »Toll«, rief sie zurück. »Macht Spaß, nicht wahr?«
    Lester hob die Augenbrauen und verdrehte die Augen. Warte nur, bis die großen kommen, dachte er.
    Bald schrammte der Kiel wieder über Felsen, das Wasser war aufgewühlt und schäumte, und das Boot ließ sich kaum mehr handhaben. Dann verklemmte es sich plötzlich zwischen zwei Felsen. Der Motor wurde abgestellt, und Jacob packte die Bugleine, sprang hinaus und machte das Boot frei. Hüfthoch im Wasser, legte er sich die Leine über die Schulter und begann das Boot langsam Schritt für Schritt vorwärts zu ziehen. An Bord benutzte Lester das Paddel, um sie vom Grund und von den Felsen abzustoßen. Madi kam sich vollkommen nutzlos vor und bekam es mit der Angst zu tun, wenn Lester abglitt und das Boot für einen Moment außer Kontrolle geriet. Furchterregende Vorfälle aus Gwens Buch kamen ihr ins Gedächtnis. Aber sie weigerte sich, darüber nachzudenken, und schließlich hatten sie es geschafft. Mit Motor und Paddel schwang Lester das Boot herum und hielt es ruhig, während Jacob wieder an Bord kletterte. Madi bewunderte die Kraft und Geschicklichkeit des alten Mannes und verstand jetzt, warum die Flussleute so hoch geschätzt waren.
    Aber sie hatte kaum Zeit, sich zu entspannen, bevor sie die nächsten Stromschnellen erreichten. Danach wurde es ruhiger, und Jacob zündete sich eine Zigarette an, rief Lester nur noch gelegentlich Richtungsanweisungen zu, um flachen, vom Wasser bedeckten Felsen auszuweichen.
    Madi, die an der aufgestapelten Ausrüstung lehnte, war gerade ein bisschen eingedöst, als sie plötzlich Lester rufen hörte: »Wir sind da.«
    Eine Anlegestelle, ein paar Boote, ein ungestrichener Schuppen und mehrere Unterstände – palmgedeckte Dächer auf Holzpfählen – kamen in Sichtweite.
    »Wo sind wir hier?«
    Lester grinste. »In der Zivilisation, Mann. Das is unser Laden an der Ecke.«
    Der ›Laden‹ war nicht mehr als ein grob gezimmerter Schuppen mit einem handgemalten Holzschild, das ihn als
The Trading Post
auswies.
    Boots- und Schürfausrüstungen. Eier. Rum. Lebensmittel. Ankauf von Waren.
    Letzteres kam Madi eher rätselhaft vor.
    Der Ladenbesitzer war ein alter Pork-Knocker mit einer kleinen, pummeligen Ehefrau.
    »He, Sammy«, begrüßte ihn Lester, »bin wieder da. Und diesmal mach ich 'n Vermögen.« Beide brüllten sie darüber vor Lachen.
    »He, Lester, versuchst du's immer noch auf dieser Niete von Claim?«
    »Klar doch. Diesmal hab ich das Glück auf meiner Seite. Das hier is Miss Madison. Sie is 'ne Freundin aus Australien, die mich in Georgetown besucht.« Das war nur eine leichte Verzerrung der Tatsachen, aber es vermied eine Menge unnötiger Fragen und stärkte Lesters Ansehen.
    Sammy beäugte sie mit Interesse und stopfte sich ein wenig befangen das schmuddelige alte Unterhemd in die Hose. »Sie wolln also nach Diamanten schürfen? Ich kann Ihnen welche verkaufen. Gute Steine. Keine Steuer drauf. Wohin Sie mal sehn?«
    »Behalt du deine armseligen Steine für dich, Sammy. Miss Madison wird uns Glück bringen, wirst schon sehn.«
    Madi beteiligte sich an dem gutmütigen Schlagabtausch. »Danke für das Angebot, Sammy. Vielleicht schau ich mir Ihre Steine bald mal an – um sie mit denen zu vergleichen, die wir gefunden haben.«
    Lester war begeistert. »Siehste. Hab's dir doch gesagt, Sammy. Diesmal ham wir das Glück auf unserer Seite.« Dann senkte er die Stimme und fragte leise: »Gute Funde in letzter Zeit?«
    Sammy zuckte die Schultern. »Du weißt doch, wie's is. Keiner sagt was, wenn er nich muss. Oder sie erzählen dir Geschichten, wenn sie Rum intus ham. War ganz okay. Paar ordentliche Feuerchen warn dabei.«
    Madi hörte nicht länger zu und widmete ihre Aufmerksamkeit der eigentümlichen Atmosphäre dieses entlegenen Ladens am Fluss und seinem erstaunlichen Angebot. Konserven aller Art, Pakete mit Seifenpulver, Säcke mit Mehl und Zucker, ein bisschen schlaffes,

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