Der Gesang des Wasserfalls
Schweiß die Beine hinab in die Socken lief, während er neben Gordon Ash um den Park gegenüber dem Pessaro Hotel joggte. Der Generalmanager bestand auf seinem morgendlichen ›Konferenzlauf‹, sowohl in Georgetown als auch in der Mine. Matthew war dankbar für die leichte Meeresbrise und dafür, dass es noch früh am Morgen war. In zwei Stunden würde es zehn Grad wärmer sein, und die Luftfeuchtigkeit würde einen umbringen. Er fürchtete inzwischen Gordon Ashs Besuche in Georgetown und versuchte stets, sich diesem gestrengen Regiment zu entziehen, wenn er über Nacht in der Mine blieb.
»Wir treffen uns mit Johns und Ihrem Freund Bain von der IFO zum Frühstück.« Ash beschleunigte das Tempo. »Ich habe solche Eskapaden schon ein paar Mal in Ländern der Dritten Welt mitgemacht. Muss sagen, dass ich nicht begeistert bin von dieser Unterstützung armer Länder durch internationale Finanzorganisationen. Dieses Land wird unter den gegebenen Umständen nie Herr der Lage werden. Zu viele Regierungen von Entwicklungsländern können nichts anderes mehr tun, als ihre immer weiter anwachsenden Schulden abzubezahlen.«
»Welche Lösung gäbe es denn dann?« Matthew passte sein Tempo dem des älteren Mannes an. »Ich bin zwar auch der Meinung, dass Außenfinanzierung für die örtliche Bevölkerung große Entbehrungen mit sich bringt, aber welche Alternative bleibt ihnen ohne Hilfe und Einflussnahme von außen?«
»Vielleicht sollten sie die Staatsschulden nicht anerkennen.« Gordon Ash war ziemlich geradeheraus und von sich eingenommen, dachte Matthew.
»Das würde sicherlich zu Sanktionen führen.« Matthew warf dem zähen, raubeinigen Kämpfer neben sich einen Blick zu. »Sie sorgen bei Vorstandssitzungen bestimmt für manche Aufregung.«
»Ich bin dafür bekannt, mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten.«
Genau das, was wir momentan brauchen, dachte Matthew. Einen Idealisten. Ash schätzte offenbar die Feinheiten der finanziellen Situation der Mine nicht ganz richtig ein. »Guyminco ist ausgeblutet worden, und es gibt das Gerücht, dass die Gelder in eine Phantomfirma geflossen sind«, sagte Matthew und fragte sich, ob Gordon von El Dorado wusste.
»Davon habe ich gehört. Hatte mir vorgenommen, in der ersten Woche bei ein paar Gläsern Rum so viel wie möglich in Erfahrung zu bringen. Wissen Sie, was ich glaube?«
Matthew schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, die Regierung und die Beamten sind inzwischen relativ sauber«, sagte Ash. »Sie geben sich mit zusätzlichen Vergünstigungen zufrieden statt große Geldzahlungen zu erwarten. Wenn es da einen Schurken gibt, dann ist es jemand mit Zugang zu enormen Geldmengen außerhalb Guyanas, der das Geld in einem Land wie diesem waschen muss, wo dem niemand allzu viel Aufmerksamkeit schenkt.«
»Irgendwelche Verdächtigen?«, fragte Matthew.
»Himmel, ich bin derjenige, der neu hier ist. Ich stelle nur eine Theorie auf.«
Matthew beschloss, das Thema nicht weiter zu verfolgen.
Connor hörte von Madis Plänen, auf Diamantensuche zu gehen, als sie im Pavillon in Matthews Garten saßen. Ein grellbunter Ara mit unglaublich leuchtendem blauem und gelbem Gefieder flog unter lautem Gekreisch auf einen Baum in der Nähe.
Connor nahm einen Schluck von seinem Rum. »Ich habe nicht das Recht, Madi, dir zu sagen, was du tun sollst, aber als Freund – als guter Freund, wie ich hoffe – bitte ich dich, dir die Sache sorgfältig zu überlegen.«
»Das habe ich, Connor. Ich habe die Vor- und Nachteile sehr ernsthaft erwogen.«
»Und wie sehen die aus?«
Auch Madi nahm einen Schluck von ihrem Drink. »Ich will sie nicht alle aufzählen, aber einer der negativen Faktoren ist wohl, dass ich mit einem Mann in den Dschungel ziehen will, den ich kaum kenne, einem Farbigen und einem Niemand nach unseren Maßstäben.«
»Das ist mir auch durch den Sinn gegangen. Doch die Entscheidung liegt bei dir. Wenn du sagst, du kannst ihm vertrauen, dann respektiere ich das. Obwohl ich zugeben muss, dass ich etwas eifersüchtig bin.«
»Auf Lester oder auf mich, weil ich in den Busch gehe?«
»Auf beide, glaube ich. Die Sicherheitsfrage kommt auch noch dazu.«
»In Georgetown die Straße zu überqueren ist ebenfalls gefährlich. Ich kann mich doch nicht in Watte packen. Mir ist inzwischen klar geworden, dass ich mein Leben damit verbracht habe, politisch korrekte Ansichten von mir zu geben, mich hinter der Sicherheit und Geborgenheit meines Jobs, meiner Familie und
Weitere Kostenlose Bücher