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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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standen ein grob gezimmerter Tisch und Stühle. Gleich daneben war eine Feuerstelle aus geschwärzten Flusssteinen. Werkzeuge, Spülkästen und andere Gerätschaften waren unter einer mit Steinen beschwerten Plane verstaut, die fast vollständig mit Ranken überwachsen war. Als Lester die Plane zurückschlug, lachte Madi hell auf beim Anblick einer alten Sitzbadewanne aus Zink.
    »Alle Knochen tun einem weh und werden steif von der Arbeit, da is man froh über 'n heißes Bad, glauben Sie mir, Miss Madi.«
    »Ich glaube Ihnen. Sehr zivilisiert, Lester, wirklich sehr zivilisiert.« Wenn Matthew das doch sehen könnte, dachte Madi glücklich.
    »Wir tun uns abwechseln und hängen 'ne Plane auf, okay?«
    »Danke, Lester, das ist sehr freundlich.«
    Zusammen entluden sie das Boot, schlugen zwei Zelte auf, befestigten Hängematten, brachten die Vorräte unter und zündeten ein Feuer an. Lester schlug mit einer Machete das Unterholz rund um den Lagerplatz ab, aber das meiste hob er sich für den nächsten Tag auf, wenn er ausgeruht wäre und mehr Licht hätte. Es wurde bereits Zeit, die Kerosinlampe anzuzünden und Essen zu machen.
    Lester hockte vor dem Feuer, während Madi auf einem der Stühle saß, starken schwarzen Kaffee trank und zuschaute, wie er den Doseneintopf umrührte.
    »Riecht gut. Ich könnte ein ganzes Pferd verschlingen.«
    Lester lachte leise. »Das Pferd hier kommt aus der Dose. Bester Eintopf aus dem Supermarkt in Georgetown.«
    Sie aßen, ohne viel zu reden, weil sie beide reichlich erschöpft waren. Madi gähnte, und Lester stand auf. »Okay, Miss Madi, Zeit, sich aufs Ohr zu haun. Werden Sie auch keine Angst ham, wenn's nachts unheimliche Geräusche gibt?«
    »Sie meinen, Tiere und so was?«
    »Kann sein. Kann auch die Wassermama sein, die singt.«
    »Also gut«, sagte sie resigniert. »Wer ist das? Noch ein Jumbi?«
    Lester grinste sie verschmitzt an. »Is 'ne Frau mit langen Haaren und Zauberkräften. Sie wohnt unterm Wasser. Manchmal sitzt sie auf 'nem Felsen und tut die Männer anlocken.«
    »Wie eine Meerjungfrau?«
    »Ja, die kann ganz schön Ärger machen. Sogar noch mehr als der Matchikouri.«
    »Gut, gut, ich hab ja schon angebissen. Was ist ein Matchikouri?«
    »Der is wie 'n Mann, aber groß und haarig mit roten Flammenaugen, Schwimmfüßen und Feuer, das ihm aus der Brust kommt. Er packt die Leute und reißt sie in Stücke, um sie zu fressen.«
    »Tausend Dank, Lester. Genau die Art von Gutenachtgeschichte, die ich hören wollte.«
    Er zuckte die Schultern. »Sie müssen doch die Geschichten aus dieser Kultur kennen lernen. Aber ich glaube, Sie sind zu müde, was drauf zu geben, ob die vorbeikommen, eh?«
    »Da haben Sie recht. Ich bin so müde, dass es mir egal wäre, wenn sie alle gemeinsam kommen und mich wegschleppen würden.« Madi trug ihren Teller zum Wassereimer neben dem Feuer und wusch ihn ab. »Gute Nacht, Lester. Ich bin so froh, dass ich hier bin. Vielen, vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben.«
    »Schlafen Sie gut, Miss Madi.«
    Madi schlüpfte aus ihren Shorts und dem Oberteil und zog eins von Matthews Baumwollhemden an. Dann sank sie auf die Luftmatratze und blies die kleine Lampe aus. Das Licht der Öllampen draußen flackerte und warf bewegliche Schatten über die Zeltwand. Aber sie empfand keine Furcht, trotz Lesters Geschichten.
    Sie versuchte, die Geräusche um sich herum zu deuten, Lester, der sich zum Schlafen fertig machte, das leise Rascheln der Bäume, das ferne Schwappen des Wassers gegen die Felsen, fremdartige Geräusche kleiner Dschungeltiere in der mondhellen Nacht. Aber bald war sie fest eingeschlafen, fühlte sich sicher und geborgen in der Umarmung des Urwalds rund um das Lager.

[home]
    Dreizehntes Kapitel
    E s war Mittag, die Hitze und die Feuchtigkeit waren erdrückend, das Flimmern der Sonne wurde vom Wasser reflektiert und brannte wie ein Laserstrahl. Madi hatte starke Kopfschmerzen, trotz Matthews altem weißen Kricketschlapphut. Heute war der erste richtige Arbeitstag, und Madi wurde allmählich klar, dass ihr Abenteuer mit sehr viel mehr Arbeit verbunden sein würde, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber sie dachte nicht daran, dem Schmerz in Rücken und Armen nachzugehen. Was Gwen in den zwanziger Jahren fertig gebracht hatte, würde sie auch heute fertig bringen.
    Ganz früh am ersten Morgen hatte Lester ihr alle zugänglichen Bereiche des Claims gezeigt. Das Pachtland und die nähere Umgebung waren größtenteils mit dichtem Wald

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