Der Gesang des Wasserfalls
bestanden, durch den aber ein Gewirr schmaler Tierpfade und kleiner Bäche führte, und es gab auch ein kleines Sumpfgebiet. Mit der Begeisterung eines geborenen Naturforschers wies Lester sie auf die Anzeichen für mögliche Diamanten- und Goldvorkommen hin, die Form und Farbe der Felsen, die großen, hoch aufragenden Bäume, eine Mischung aus Weich- und Harthölzern, und die Manikolapalmen. »An den Palmen wächst Kohl dran, kann man essen, und aus den Palmen kann man auch gute Hüte draus machen. Gutes Land«, sagte er voller Wärme und Stolz. »Gutes Land.«
»Wie haben Sie diesen Flecken hier nur gefunden?«, fragte Madi, als sie sich mit der Machete ihren Weg durch das Unterholz schlugen.
»Überall an den großen Flüssen, am Essequibo, am Potaro und am Demerara findet man gutes Land. Am besten mit den alten Karten. Die englischen Geologen ham gute Karten gemacht. Kann man im Liegenschaftsamt kaufen.«
Das Lager war mit grob behauenen Pfosten und Draht eingezäunt, und die äußere Grenze des Claims war durch eine einen Meter breite, freigeschlagene Schneise markiert, die jetzt ziemlich zugewachsen war. »Wir müssen das wieder freischlagen, das is Gesetz.«
Ein einfaches Holzschild an einem Pfosten gab die Einzelheiten über Lesters Claim bekannt, seinen Namen, die Nummer seiner Schürflizenz und die Beschreibung des Schürffeldes und seiner Lage. Madi schätzte, dass der Claim etwa die Größe von zwei Häuserblocks hatte. »Wie viel müssen Sie dafür bezahlen, Lester?«
»Kostet mich tausend Guyana-Dollars im Jahr fürs Schürfen.«
»Ein echtes Schnäppchen, würde ich sagen, vorausgesetzt, Sie finden Gold oder Diamanten.«
»Das is das Risiko.« Lester grinste. »Diamanten sind schwer zu finden. Manchmal hat man mehr Glück mit Gold.«
Lester arbeitete auf altmodische Weise mit einem Minimum an moderner Technologie. Sein Spülkasten – »Pork-Knockers nennen das 'ne Tombox« – war aus einer Stahltonne gemacht, die oben und an den Seiten aufgeschnitten war. An einem Ende – dem Kopf – war ein Stück Holz eingefügt, und an der oberen Öffnung war ein durchlöcherter Deckel befestigt. Im Boden war ein Gitter aus breiten Latten eingelegt. Der Spülkasten wurde schräg im fließenden Wasser aufgestellt und der Sand mit der Strömung hineingeschaufelt. Gelegentlich baute Lester kleine Dämme im Bach, senkte die Tombox ins Wasser, entfernte den Damm oder die Blockade und ließ das aufgestaute Wasser und den Flusssand durch die Tombox fließen. Dann wurde sie herausgehoben und der schwere Schlamm und die Steine, die sich auf dem Boden gesammelt hatten, in der Pfanne ausgewaschen oder aussortiert.
Lester brachte Madi den Umgang mit der Goldpfanne bei. »Okay, Sie sind der Jiggerman und müssen die Tombox bedienen. Jetzt nehmen Sie diesen Waschtrog, das, was wir die Goldpfanne nennen – und machen Sie so.« Er reichte ihr den flachen, V-förmigen Trog und zeigte ihr, wie man am Ufer hockte und das feine Sieb im Inneren in kreisende Bewegungen versetzte, damit sich die kleinen Steinchen, Gold und Diamanten in der Mitte sammelten.
Madi brauchte nicht lange, bis sie den Bogen raushatte. Sie wurde ganz aufgeregt, als sie ein silbriges Glitzern sah, aber es waren nur kleine, wertlose Quarzsteinchen, die im Wasser blitzten. Andere hübsche kleine Steine, wie Granatsplitter und glatter, dunkelbrauner Jaspis mit cremefarbenen Einschüssen, legte sie beiseite. Lester hatte ihr erklärt, welche Edelsteine und Kristalle man in dieser Gegend finden konnte und beobachtete amüsiert, wie sie die Steine einsammelte, die er als Schund betrachtete. Aber er dämpfte ihren Enthusiasmus nicht und sagte ihr, dass ihre kleinen Funde Besseres in Aussicht stellten.
»Wir nennen die Sweetmans. Was wolln Sie damit machen, eh?«
»Sie vielleicht zu Schmuck verarbeiten lassen. Ich habe schon fast genug Jaspis für eine Kette zusammen. Geschliffen und auf der Rückseite abgeglättet, werden sie wunderschön aussehen.«
»'ne Kette oder 'n Ring aus Gold und Diamanten wär noch besser, eh?«
»Natürlich! Führen Sie mich zu den Diamanten, Lester. Das ist harte Arbeit … aber es macht mir Spaß«, fügte sie hastig hinzu, denn trotz ihres schmerzenden Rückens, der Kopfschmerzen und der müden Arme war sie von dieser Arbeit vollkommen in Anspruch genommen. Jedes Mal, wenn sie das Sieb kreisen ließ, erwartete sie, das Glitzern eines echten Steins zu sehen.
Dann blitzte das erste Gold auf, und sie quietschte vor
Weitere Kostenlose Bücher