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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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noch nicht probiert haben, nehmen Sie nur einen kleinen Schluck, aber lassen Sie es so aussehen, als würde es Ihnen schmecken. Das Zeug ist stark. Ich persönlich finde es ausgezeichnet, aber es ist nicht jedermanns Geschmack.«
    Madi hätte beinahe laut losgekichert. »Was tun Sie denn noch so hier draußen?«
    »Ich studiere die Heilkräfte der von den Indios benutzten Pflanzen. Um es im heutzutage gebräuchlichen Jargon auszudrücken, es handelt sich um eine interaktive Disziplin – mein Institut kann von ihnen lernen, und wir können ihnen hoffentlich etwas zurückgeben.«
    Pieter erwärmte sich für sein Thema. »Xavier und ich sind uns darüber einig, dass man den internationalen pharmazeutischen Unternehmen nicht länger gestatten kann, in die Regenwälder dieser Welt einzudringen, die Pflanzen abzuernten und den wirtschaftlichen Profit einzustreichen, nachdem die Eingeborenen diese Pflanzen schon seit Jahrhunderten verwenden. Nach dem, was man als geistiges Eigentumsrecht bezeichnet, sollten die Gewinne mit den Eingeborenen geteilt werden.«
    Daß sich der Tag so entwickeln würde, hatte Madi nicht erwartet. Eine Diskussion über die Wirtschaftsrevolution in einem Land der Dritten Welt war zweifellos eine überraschende Folge eines morgendlichen Skorpionstichs.
    Pieter fuhr fort: »Solange sich Länder wie Guyana die medizinische Verwendung dieser Pflanzen nicht patentieren lassen, werden sie keinen Penny sehen.«
    Madi hakte nach. »Hat man also erst einmal das Patent, dann hat man das Recht, einer großen Firma eine Lizenz zu erteilen, dieses medizinische Wissen weiterzuentwickeln und zu testen. Wenn sie dabei auf etwas stoßen – auf ihre Kosten –, sollte Guyana entsprechend hohe Lizenzgebühren bekommen.«
    »Das wäre die idealste Möglichkeit«, bestätigte Pieter.
    Die Männer diskutierten darüber, wie sich die Kundgebung im Dorf am besten gestalten ließ, was Madi Zeit gab, eine Idee zu entwickeln, die ihr durch den Kopf geschossen war.
    Bei der ersten Gesprächspause meldete sie sich zu Wort.
    »Ich sehe hier eine Möglichkeit«, sagte sie.
    Die Indios, die stoisch um sie herumsaßen, starrten mit kaum verhohlenem Erstaunen auf diese junge weiße Frau, die es wagte, vor diesen beiden bedeutenden Männern ihre Meinung zu äußern.
    »Ich würde gern ein Treffen zwischen Xavier, Pieter und Connor Bain arrangieren. Er ist ein Freund von mir aus Georgetown, ein Vertreter der Internationalen Finanzorganisation. Sie unterstützt die Finanzierung von Projekten in der Dritten Welt, und er ist hier, um mit Guyminco und einer anderen Mine zusammenzuarbeiten. Dies ist genau die Art von Projekt, die die IFO zur Finanzierung in Betracht ziehen sollte.«
    Xavier sah Madi durchdringend an, die darauf etwas verlegen wurde, weil sie das Gefühl hatte, das, was sie gesagt hatte, sei als unrealistisch empfunden worden. Xavier schenkte ihr ein warmes Lächeln, damit Madi nicht dachte, er würde ihren Vorschlag vollkommen ablehnen. »Vielen Dank, Miss Wright. Das könnte sehr produktiv sein. Wir sprechen später darüber, vielleicht in Georgetown.« Er erhob sich, und einige der Stammesältesten traten rasch an seine Seite. »Sie müssen mich jetzt entschuldigen, ich muss mit den örtlichen Stammesführern sprechen.«
    Auch Lester und Madi standen auf und setzten ihren Gang durch das Dorf fort. Madi war ganz aufgeregt und überlegte sich fieberhaft Strategien für die Verwirklichung ihrer Idee, das Pflanzenprojekt zu unterstützen und weiter auszubauen. Ein wenig schockiert stellte sie fest, dass sie in ihre ›Marketingroutine‹ verfallen war, was für dieses entlegene und eher primitive Dorf kaum passend schien. Aber das hielt sie nicht auf. Sie kam erst auf den Boden zurück, als sie, ganz in Gedanken versunken, über die Hanfleine eines Ferkels stolperte, das ihr quiekend zwischen die Füße lief.
    »Sind Sie blind geworden?«, frotzelte Lester und half ihr hoch.
    Madi klopfte sich den Staub ab. »Nein, nicht blind, Lester. Nur vielleicht ein bisschen leidenschaftlich wegen einer bestimmten Sache.«
    »Ah«, rief Lester beifällig. »Genau, was ich gestern Abend gesagt hab. Sie brauchen Leidenschaft in Ihrem Leben.«
    Es wurde rasch dunkel. Feuer und Laternen wurden um den Versammlungsplatz angezündet, und die Männer setzten sich im flackernden Licht in Gruppen aus den verschiedenen Dörfern auf den Boden vor ein paar Stühle, auf denen Xavier und einige der Stammesführer saßen. Die Frauen hielten sich

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