Der Gesang des Wasserfalls
alles recht hübsch, aber du kannst doch wohl nicht ernsthaft daran glauben, dass mit so was das große Geld zu verdienen ist oder dass es das ist, was das Land braucht, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen, eine Art Basisalternative zur industriellen Entwicklung.«
Madi fand, das war die absurdeste Badezimmerdiskussion, die sie je erlebt hatte, und es fiel ihr schwer, ernst zu bleiben. »Connor, wir sind dabei, uns auszuziehen und zusammen unter die Dusche zu gehen, und du wirfst die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Tourismus auf. Du hast sie ja wohl nicht alle.« Sie zog das T-Shirt aus, das sie als Nachthemd trug. »Ich will dazu nur zwei Dinge sagen. Erstens wird es diesem Land mehr helfen, als du denkst. Zweitens, zieh dich endlich aus und komm unter die Dusche, sonst entgeht dir der ganze Spaß.«
Nach dem Frühstück bestiegen sie ein langes Kanu, genannt Corial, ein Einbaum mit kunstvoll bemaltem Bug und einem breiten Heck, wo Dali am Außenbordmotor saß.
»Dieses Kanu hat er selbst gemacht«, erklärte Kate. »Absolut ideal für eine kleine Gruppe zum Erkunden der Gewässer.« Nach kurzer Fahrt stellte Dali den Motor ab, zog das Paddel heraus und lenkte sie langsam um eine Biegung des Baches auf einen kleinen See. Die Oberfläche war mit Victoria-Regina-Seerosen bedeckt, deren riesige, runde, schüsselförmige Blätter an der Unterseite wie poliert wirkten und kräftig genug waren, um einen Säugling zu tragen. Zwischen dem Blätterteppich erhoben sich majestätische rosafarbene Blüten. Kate griff ins Wasser, zog eine heraus und reichte sie Madi. »Wunderschön«, rief Madi aus. »Einfach wunderschön.«
Connor nahm seine Sonnenbrille ab, um die Farbenpracht der Umgebung besser wahrnehmen zu können. »Du hast Recht. Es ist wie im Märchen.«
Sie paddelten weiter und hörten die Vögel, bevor sie sie sehen konnten, obwohl ihre Nester ganz in der Nähe sein mussten, wie man an den Warnschreien der Altvögel hören konnte, die ab und zu über sie hinwegglitten.
»Oh, schaut nur«, seufzte Madi.
Die Bäume, die das Ufer säumten, waren voll mit großen Nestern aus Gezweig, die auf gefährlich schwankenden, dünnen Ästen gebaut waren. Hunderte von Silberreihern und Graureihern, die sich Schwanz- und Flügelfedern putzten, saßen auf den Nestern und flogen krächzend herum. Aus manchen Nestern lugten aufgesperrte Schnäbel, die nach Futter piepsten. Kate gab ihnen Ferngläser, damit sie die Vögel beim Vorbeigleiten besser beobachten konnten.
Sie paddelten zu einer anderen Stelle, wo sie Spechte auf Baumstämme einhämmern hörten, Eisvögel übers Wasser schossen und die Luft vom Schrei des aggressiven, gelbbrüstigen Kiskadee erfüllt war … »kis-ka-dee … kiskis-kiss-ka-dee …«
Madi sah plötzlich einen seltsamen Vogel und zeigte ihn Kate, die ihn durch das alte Fernglas ihres Vaters betrachtete.
»Ein Fächerpapagei, sehen Sie die rot-blaue Halskrause rund um seinen Kopf und den runden Schwanz? Er gibt das ›Achtung-Eindringlinge‹-Signal.«
»Durch die dunklen Ringe um die Augen sieht er aus, als würde er eine Brille tragen«, lachte Madi.
»Jeder Teil Guyanas hat seine speziellen Vogelattraktionen«, sagte Kate. »Im Pomeroon im Norden sind es die prächtigen scharlachroten Ibisse. Tausende von ihnen kommen bei Sonnenuntergang zu den Nistplätzen und verwandeln die Landschaft in eine rosenfarbene Welt. Genauso ist es, wenn sie bei Sonnenaufgang ausfliegen.«
Sobald sie das natürliche Vogelschutzgebiet verlassen hatten, warf Dali den Motor wieder an, und sie fuhren hinaus auf den Fluss. Die sumpfigen Mangrovenwälder machten zu beiden Seiten des Flusses offenem Grasland Platz.
»Da sind sie ja«, sagte Kate und deutete auf eine kleine Gruppe, die am Ufer mit mehreren Pferden wartete.
»Oje, müssen wir etwa reiten?«, fragte Madi nervös.
»Aha! Endlich mal etwas, das unsere hartgesottene Abenteurerin erschreckt!«
Madi drehte sich zu Connor um. »Kannst du denn reiten?«
»Worauf du Gift nehmen kannst. Hab meine Ferien auf der Schaffarm meines Onkels verbracht. Und bin einmal in Oxford bei einer Jagd mitgeritten.«
Kate hatte die Situation gleich wieder im Griff. »Wenn Sie wollen, können Sie ein Landrover-Vaquero sein, Madison. Wir reiten nur in gemütlichem Tempo über die Savanne, um nach dem Vieh zu sehen und einen Stier zum Schlachten auszusondern.«
»Klingt toll«, sagte Connor begeistert.
»Jetzt, wo's um Männersachen geht, da hast du deinen
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