Der Gesang des Wasserfalls
er.«
»Nur für die Reichen, was?«
»Genau. Macht mich ganz krank, nachdem ich Orte wie Caraboo und die Kaieteurfälle gesehen habe.«
»Mann, Sie werden diesen Ort namens Georgetown sehn, wie Sie ihn noch nie gesehn ham. Bald is Karneval. Mann, Karneval, das is was, was Sie sich nich vorstellen können.«
»Ich hab davon gehört … Wo ist der beste Platz zum Zuschauen?«
»Überall, wo Sie 'n Platz an der Strecke finden! Die VIPS ham 'ne extra Tribüne an der Main Street. Das wird die Parade aller Paraden … die besten Bands und Tänzer kommen von überall aus der Karibik.« Lester wackelte ein wenig mit den Hüften im Calypsorhythmus und schnippte mit den Fingern. Das brachte Madi zum Lachen.
»Lady Annabel gibt eine große Party im Geisterhaus ein paar Tage vor der Parade.«
»Tun Sie nach Onkel Eric Ausschau halten.«
Matthew, Sharee, Kevin, Viti, Connor und Madi trafen zusammen auf Lady Annabels vorgezogener Karnevalsparty ein. Trotz der Lichter, der Autos, der Musik, der vielen Menschen im Garten und auf der Veranda kam Madi das Haus immer noch melancholisch und seltsam vor. Sie griff nach Connors Hand, als sie hinaufgingen und von Lady Annabel willkommen geheißen wurden, die in ihrem handbedruckten fließenden Indiokaftan und ihrem Goldlaméturban prächtig aussah. Kellner drängten sich mit Tabletts voller Drinks und Hors d'œuvres durch die Menge, die Steelband spielte nonstop im Garten, die Gäste hatten sich der Aufforderung entsprechend gekleidet – »passend zum Karneval« –, und Lady Annabel, eine Zigarettenspitze und ein Glas Champagner in der Hand, war ganz in ihrem Element.
»Sie haben sich selbst übertroffen, Lady Annabel«, bemerkte Matthew.
»Ich muss es ja nicht bezahlen, spiele nur die Zeremonienmeisterin. Oder den Geist mit der Lampe. Haben Sie einen besonderen Wunsch?« Sie küsste Madi. »Mein liebes Kind. Hat Ihnen Ihr Ausflug ins Landesinnere gefallen?«
»Ich war begeistert. Und nicht nur ich.« Lächelnd sah sie Connor an.
Lady Annabel betrachtete sie beide. »Scheint ein Glitzern in Ihre Augen gebracht zu haben. Madison, es gibt einige Leute, denen ich Sie vorstellen möchte. Connor, darf ich sie Ihnen für eine Weile entführen?«
Connor zwinkerte ihr zu. »Natürlich. Viel Spaß. Ich schaue mal, wo Matthew ist.«
Lady Annabel hakte sich bei Madi unter. »Also, mein liebes Kind. Was geht denn nun wirklich vor?«
»Was meinen Sie?«
»Zwischen Ihnen und Connor, mit Ihrem Engagement für bestimmte Dinge in unserem Land, Ihrem Interesse an Xavier Rodrigues und seinen Plänen …«
»Sie scheinen ja gut auf dem Laufenden zu sein.«
»Ich höre so dies und das, Madison. Und ich sage Ihnen – weil ich Sie sehr mag –, treffen Sie keine überstürzten Entscheidungen.«
»Was meinen Sie damit, Lady Annabel? Mein Liebesleben oder meine ›anderen Interessen‹?« Madi sprach scheinbar ungezwungen, aber ihre Augen waren hart. Sie versuchte herauszufinden, welche unterschwellige Botschaft ihr Annabel vermitteln wollte.
»Ich meine alles, Madison … Projekte und Menschen sind in Guyana nicht immer das, was sie zu sein scheinen.«
Mehrere Gäste kamen auf Lady Annabel zu. Madi drehte sich um, hielt nach jemandem Ausschau, den sie kannte, und sah sich unvermittelt Antonio Destra gegenüber.
»Die Buschfrau ist zurückgekehrt. Sie sehen bezaubernd aus, Miss Wright.« Er küsste ihre Hand. »Wie ist es Ihnen ergangen?«
»Ich habe nur Touristin gespielt. Mich interessiert viel mehr, wie es Ihnen ergangen ist.«
Er zuckte die Schultern. »Schwer, irgendwas zu unternehmen, wenn man sich ganz auf den Dammbruch bei der Kolumbus-Mine konzentrieren muss. Das hat in den letzten Wochen meine ganze Zeit in Anspruch genommen. Dort oben wurde eine Menge schweres Gerät gebraucht. Gut für mein Geschäft, aber schlecht für das Land, meinen Sie nicht auch?«
Madi fand Antonio Destra immer rätselhafter. Er schien überall aufzutauchen, wo etwas Wichtiges geschah. Er sagte immer die richtigen Dinge und genoss den Respekt der Minenleute. Sie wusste auch, dass er den Indios seit vielen Jahren half. Aber er hatte etwas an sich, das ihr ein wenig Unbehagen verursachte. Es fiel ihr schwer, merkte sie, immer das zu glauben, was er sagte. Unaufrichtigkeit, das war es, entschied sie. Aufrichtigkeit war wirklich nicht seine Stärke.
»Sie haben Recht, es ist wirklich schlimm für das Land«, sagte Madi. »Die Frage ist, was wird unternommen, um sicherzustellen, dass solche
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