Der Gesang des Wasserfalls
rief. Es war Lady Annabel, die im Eingang des Indioladens stand. Madi gab Pieter einen leichten Kuss auf seine bärtige Wange. »Wir sehen uns bestimmt noch. Ich muss rasch zu Lady Annabel hinüber.«
Pieter sah ihr nach, wie sie über das Gelände schritt und Lady Annabel umarmte. Er schüttelte langsam den Kopf, während er ins Hospiz zurückging, um mit Xavier die Strategie für das geplante wichtige Treffen in
New Spirit
zu besprechen. Er empfand leises Bedauern für sie, weil er wusste, dass der Idealismus dieser jungen Frau, die er so sehr bewunderte, bald auf eine harte Probe gestellt werden würde.
Lady Annabel hakte sich bei Madi unter. »Liebes Kind, helfen Sie mir beim Aussuchen. Oberst Bede wünscht sich ein Bild, und es gibt hier eine ganze Reihe wunderschöne Arbeiten von Künstlern aus dem Landesinneren. Nicht alle sind im traditionellen Indiostil gemalt, aber sie sind so ausdrucksstark, finden Sie nicht?«
Madi ging langsam an den schlicht gerahmten Bildern vorbei, die an der Ladenwand hingen. Erinnerungen durchströmten sie, als sie die Gemälde von Savannenlandschaften, den Kaieteurfällen, Szenen aus Indiodörfern und primitiv gemalte Indiosymbole und Tiere betrachtete.
Lady Annabel entschied sich für ein großes Gemälde der Kaieteurfälle. »Mit einem besseren Rahmen, einem großen, goldenen, würde es gut in Bedes Büro passen, was meinen Sie? Lester, seien Sie so gut und nehmen Sie es für mich herunter.«
Lester trug das Bild zum Ladentisch. Madi meinte: »Ich dachte, der Oberst würde sein Büro im alten Haus nie benutzen?«
»Er sagt, er hätte große Erwartungen, jetzt wieder stärker zum Zuge zu kommen, wo man ihn gebeten hat, als Gastgeber irgendeiner Konferenz von nationaler Bedeutung zu fungieren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie. Er redet davon, dass hier nun geordnete Verhältnisse eintreten würden, wenn sich über das Ableben des unglücklichen Mr. Bacchus erst mal der Staub gelegt hätte.« Sie lachte herzlich. »Nun ja, zumindest etwas geordnetere Verhältnisse.«
Ein Bild am anderen Ende der Galerie, halb verborgen hinter einem Postkartenständer, fiel Madi ins Auge. Sie trat näher und lächelte, als sie die Einzelheiten wahrnahm. Es war ein hübsches kleines Ölgemälde einer üppigen grünen Pflanze, sie war mit Wassertropfen besprüht, in denen sich die Sonnenstrahlen fingen. Und wenn man genau hinsah, konnte man einen winzigen Goldfrosch zwischen den langen, wachsartigen Blättern entdecken. Ohne ein Wort griff Madi hinauf, nahm es von der Wand, drehte sich um und sah einen lächelnden Lester vor sich stehen. »Nehme an, der Künstler hat an Sie gedacht, wo er das gemalt hat.«
Sie hielt das Bild auf Armeslänge von sich weg. »Nehme an, das hat er, Lester. Nehme an, so war es, Mann.«
Lester fuhr sie zurück zu Lady Annabels Wohnung, wo er wartete, während die beiden Frauen eine, wie sie ihm versprochen hatten, »schnelle Tasse Kaffee« tranken. Es war so heiß, dass er beschloss, derweilen ein kleines Nickerchen auf dem Rücksitz zu machen.
»Was halten Sie vom Tod von Mr. Bacchus?«, fragte Madi, ohne sich ihre gefühlsmäßige Verbindung zu dem Ereignis anmerken zu lassen. »Wir waren ziemlich nah an der Tribüne, als es passierte.«
»Was ich davon halte? Himmel, meine Liebe, man könnte eine große Sache daraus machen, wenn man handfeste Beweise hätte und nicht nur Klatsch und Tratsch und Gerüchte. Er war ein mächtiger, gerissener Mann, hatte den Finger im Honigtopf dieses Landes. Ich fand schon immer, dass man idealerweise eine Bank im Rücken haben sollte, um in Guyana zu operieren. All das Geld, selbst wenn es nicht das eigene ist, spricht nur von einem – Macht. Und das bedeutet, dass man Dinge bewegen kann und noch mehr Macht bekommt. Oh, es ist ein unbarmherziges Spiel, Madison, und es wird jeden Tag unbarmherziger. überall auf der Welt. Es war viel würdevoller, wenn auch bestimmt nicht ehrlicher, aber auf jeden Fall würdevoller – zu der Zeit, als ich mich noch in diplomatischen Kreisen bewegte.«
Kaffee wurde eingegossen, und nachdem das Mädchen gegangen war, sprach Madi das Thema an, das sie seit dem Bacchus-Mord beschäftigt hatte. »Sie kennen doch Antonio Destra?«
»Natürlich«, lachte sie. »Der Puppenspieler.«
»Der was?«
»Der Puppenspieler, meine Liebe. Einer, der hinter den Kulissen die Fäden in der Hand hat und alle auf sein Kommando tanzen lässt.«
»Tut mir leid, aber ich verstehe nicht, worauf Sie
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