Der Gesang des Wasserfalls
entriegeln waren.
Jetzt verstand sie, warum Connor von Fort Knox gesprochen hatte. Verschließbare Metallgitter befanden sich vor dem Barbereich, wo Alkohol, Stereoanlage und CD -Spieler untergebracht waren. Unter lautem Scheppern zeigte ihr Hyacinth, wie der zu den Schlafzimmern führende Flur nachts durch ein weiteres Gitter abgeriegelt wurde. In den Schlafzimmern gab es Safes für persönliche Wertgegenstände. »Mr. Matt und Mr. Kevin ham die Zahlen dafür, ich kenn sie nich.« Und dann zog Hyacinth mit einer schwungvollen Geste einen Schlüsselbund aus der Tasche. »Das sind die Schlüssel von der Speisekammer und vom Vorratsraum. Und fürs Tor und so weiter.«
»Ah ja, verstehe. Warum all diese Sicherheitsmaßnahmen im Haus? Das macht mich ein bisschen nervös.«
»So können die Tiebs nix klauen, eh? War Idee von Guyminco. Andere Häuser sind auch so.«
»Wer wohnt denn hier in der Gegend? Sind das alles Angestellte der Mine?«
»Nee. Die Straße runter wohnen reiche, sehr reiche Leute, Portugiesen und Inder. Geschäftsleute. Aber manche warn mal genauso einfache Leute wie ich.« Hyacinth ging zur Küche zurück.
»Und wie sind sie dann so reich geworden?«
Hyacinth beugte sich nach unten und zog ein Blech mit frisch gerösteten Kaffeebohnen aus dem Ofen. »Oh, das weiß ich nich.«
»Der Kaffee riecht köstlich. Kann ich mir welchen machen? Wo kommt er her?«
»Ich mach das für Sie. Is Kaffee von hier.« Madison wurde aus der Küche gescheucht.
Kurze Zeit später rief Matthew an. »Du bist also tatsächlich da, Schwesterchen. Ich kann es kaum erwarten, dir dieses erstaunliche Land zu zeigen.«
»Ich sitze auf dem Balkon, trinke hervorragenden Kaffee und esse selbstgebackene Kokosplätzchen. Wann kommst du?«
»Sag Hyacinth, sie soll nicht mit dem Lunch auf mich warten. Ich werde es wohl bis drei Uhr schaffen. Hab noch eine Konferenz. Bis dann also. Mach dich erst mal mit allem vertraut. Hat Hyacinth dir die Wasserpumpe und so gezeigt?«
»Guter Gott, ja. Ziemlich verzwickt.«
Er lachte. »Das ist Lokalkolorit, Madi. Heute Abend machen wir die Stadt unsicher, ja?«
»Klingt gut. Bis nachher.«
Madison packte aus, und Hyacinth erkundigte sich: »Ham Sie was zu waschen, zu bügeln?«
»Eigentlich nicht, vielen Dank, Hyacinth. Nur das, was ich auf der Reise getragen habe.« Doch bei dieser Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit war Madison klar, dass sie sich wahrscheinlich mehr als einmal am Tag würde umziehen müssen.
»Primrose kommt, hilft mir beim Waschen und Bügeln. Is meine Schwester. Sie arbeitet für Mr. Bain, muss nur eine Person versorgen.«
Madison lag die Frage auf der Zunge, wie viele Dienstboten denn noch auftauchen würden, aber sie verbiss sie sich. »Oh, ich freue mich darauf, sie kennen zu lernen. Hast du auch Brüder?«
»Nein, nur ich, Primi und Rose.«
»Deine Mutter scheint Blumen gemocht zu haben.«
»Sie mochte englische Sachen. Hat uns Mädchen feine englische Namen gegeben, aber wir sind nich englisch davon geworden!« Hyacinth lachte über ihren Witz. »Guyana is nich England, das is mal sicher«, fügte sie hinzu, dann drehte sie sich um, lachte noch einmal auf und verschwand hüftwackelnd eine Calypsomeldie vor sich hinsingend in der Küche.
Später am Morgen kam Madison die Treppe herunter, ausgerüstet mit Schultertasche, Hut und Sonnenbrille. Hyacinth stellte ihr Singh vor, der in Unterhemd und Shorts auf einer schattigen Bank vor der Küche saß. Er erhob sich und schüttelte ihr die Hand mit einem warmen Lächeln, ohne sich wegen seiner zwanglosen Aufmachung im geringsten unwohl zu fühlen. »Sie wolln fort, Miss?«
»Ja, ich dachte, ich geh mal in die Stadt Geld wechseln und mich ein bisschen umsehen. Ich brauche einen Stadtplan. Als ich die Frau in der Wechselstube in Miami nach guyanischen Dollars fragte, hatte sie noch nie davon gehört. Und so was nennt sich dann internationaler Geldwechsel.«
»Wie wolln Sie in die Stadt kommen, Miss? Fährt ein Freund Sie hin?«
»Nein, ich habe ein Taxi bestellt. Im Telefonbuch habe ich eine Nummer gefunden.«
Hyacinth schaute besorgt. »Sie wohn mit dem Taxi fahrn? Warum tun Sie nich auf Mr. Matt warten? Was für 'n Taxi ham Sie denn angerufen?«, fragte sie mit beklommener Stimme.
»Keine Ahnung, das erste, das ich im Telefonbuch fand. Speedy Taxi, glaube ich.«
»Ee-eio, ooh, Madam!«, jammerte Hyacinth und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, während Madison sie entgeistert anstarrte.
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