Der Gesang des Wasserfalls
»Ooh, das sind schlechte Männer. Schlechte Männer. Tun Sie betrügen, fahrn Sie an schlimme Orte. Kein gutes Taxi.«
Madison fiel es schwer, diese ihr übertrieben scheinende Besorgnis zu teilen. »Was ihr nicht sagt«, antwortete sie mit einem Lächeln, als das Taxi vor dem Tor hielt. »Jetzt ist es zu spät. Da ist es schon. Singh, mach bitte das Tor auf.«
»Tun Sie gut aufpassen, Miss. Immer die Tasche festhalten«, warnte Hyacinth sie.
Madi ging mit festen Schritten zum Wagen, fühlte sich aber innerlich verunsichert und nervös, als sie die Einfahrt erreichte. Sie glitt auf den Rücksitz des ältlichen, klapprigen Autos. Calypsomusik dröhnte aus dem Radio, und der Fahrer verbarg seine Augen hinter einer großen, dunklen Sonnenbrille. Ein gestreiftes T-Shirt saß knapp über seinen muskulösen Schultern, die sich strafften, als er aufschaute und ihr im Rückspiegel einen fragenden Blick zuwarf. »Wohin soll's gehn?«
»Ich möchte zur Bank und dann in eine Buchhandlung, denke ich.«
»Welche Bank?« Er drehte das Radio leiser und fuhr los.
»Oh, das ist mir egal.« Sie zögerte, ihm zu sagen, was sie erledigen wollte.
»Wolln Sie Geld umtauschen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Weiße Zähne blitzten auf. »Sie sehn aus, wie wenn Sie neu hier wären.«
»Sie meinen, ich sehe wie eine Touristin aus?« Madison hatte gehofft, wie eine Ehefrau der hier lebenden Europäer oder Amerikaner zu wirken.
»Aus Australien?«
Madison ließ sich im Sitz zurücksinken. »Schätze, meine Tarnung ist aufgeflogen, was?«
Der Fahrer lachte leise. »Hab schon 'n paar Aussies gefahrn. Kenn den Akzent. Soll ich vor der Bank warten und Sie dann zum Bücherladen fahrn?«
Er schaute über die Schulter zurück, und Madison sah, dass sein lächelndes Gesicht eine Mischung aus indischen und afrikanischen Zügen aufwies. Wie so viele Menschen hier, war er »durcheinander gemixt«, wie Hyacinth es bei ihrer Einweisungstour durch das Haus genannt hatte. Der Fahrer war ein gut aussehender und ordentlich gekleideter Mann und verströmte fröhliches Selbstvertrauen. Sie spürte, wie ihre Befürchtungen abebbten. Noch mangelte es ihr zwar an Erfahrung mit diesem seltsamen Land, aber dieser Einheimische sah nicht wie ein schlechter Mann aus.
Madison konnte nicht glauben, dass es so lange dauerte, Geld umzuwechseln, auch wenn die Bank nach außen hin wie ein modernes Geldinstitut wirkte. Die funktionale Architektur konnte nicht über die schleppende Arbeitsweise der vielen ernsthaft schauenden Bankangestellten hinwegtäuschen. Madi musste an drei verschiedenen Schaltern Schlange stehen, bis sie endlich beim Kassierer ankam. Sie gab ihm einen rosafarbenen Zettel. »Wo ist mein Geld?«
»Gehn Sie zur Hauptkasse. Geben Sie das da ab.«
Madi seufzte. Vier Leute in vier verschiedenen Abteilungen hatten auf vier verschiedenen Papierzetteln den Wechselkurs für amerikanische Dollar ausgerechnet. Schließlich war die Frau an der Hauptkasse mit dem Zählen fertig und reichte ihr ein dickes Bündel Geldscheine. Madison brach in Lachen aus. »Lieber Himmel. Haben Sie mir alles in Ein-Dollar-Scheinen gegeben?«
Die Kassiererin sah sie eisig an. »Nein.«
Madison zog die oberste Fünfhundert-Dollar-Note aus dem Stapel. »Können Sie mir die klein machen? Ich brauche Wechselgeld.«
»In unsrer Währung gibt es keine Münzen.«
Madison gab auf. Der Zeitungshändler oder die Verkäuferin in der Buchhandlung würde den Schein wechseln müssen, damit sie das Taxi bezahlen konnte.
Vor der Bank blickte sie suchend die Straße auf und ab, bevor sie einen halben Block weiter das Taxi und den Fahrer entdeckte, der ihr zuwinkte. Die Handtasche an sich gedrückt, lief sie eilig den Gehweg entlang. Als sie den Wagen erreichte, war sie bereits schweißgebadet. Luftfeuchtigkeit und Hitze schienen noch gestiegen zu sein, während sie in der klimatisierten Bank gewesen war. Der Fahrer lehnte am Wagen und sprach mit einem Mann, der den Kopf voller Rastalocken hatte, ein buntes Käppi trug und ein Netz mit Holzschnitzereien in der Hand hielt. Wieder winkte ihr der Fahrer. »Sorry, konnte nicht näher parken. Kein Platz frei.«
Madison drückte die Schultertasche immer noch an ihren Körper und hatte das Gefühl, ein Vermögen mit sich herumzuschleppen.
»Wolln Sie 'ne Schnitzerei kaufen? Is 'n Freund von mir, macht gute Arbeit.«
»Nein, danke.« Doch als sie die Holzarbeiten in dem Netz näher betrachtete, war sie erstaunt über die Kunstfertigkeit
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