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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Strömung, sie schrie erneut, dann ließ sie den Stock los. Gelähmt vor Schreck sah sie, wie die Leiche, als wären unsichtbare Kräfte am Werk, an die Oberfläche stieg, sich drehte und wieder versank. Doch der kurze Moment hatte gereicht, sie in die blicklosen Augen von Ernesto St. Kitt starren zu lassen, dessen rechte Schläfe blutverkrustet war.
    Blindlings rannte Madi über den Dschungelpfad und am Flussufer entlang zu Matthews Bungalow und betete, dass er dort wäre. Alles war leer, genau wie bei Connor. Sie klopfte an die nächste Tür, und Viti öffnete, die Haarbürste in der Hand. Ihr fröhliches Lächeln verschwand, als sie Madi vor sich sah, schneeweiß im Gesicht.
    »Madi, ist was passiert?«
    Madi atmete langsam und tief durch. Sie sprach stoßweise, mit unnatürlicher Genauigkeit. »Viti, würdest du bitte schnell Matthew holen? Sag ihm, er soll in meinen Bungalow kommen. Tu so, als sei nichts Besonderes. Versuch, ihn allein zu erwischen.« Wieder holte sie tief Luft.
    Viti wollte weitere Fragen stellen, aber Madi flüsterte ihr nur drängend zu: »Bitte!« Dann drehte sie sich um und lief weg. Viti legte ihre Bürste ab, warf die langen Haare über die Schultern zurück, schloss die Tür hinter sich und rannte zum Haupthaus.
    Nach ein paar Minuten öffnete Matthew, ohne anzuklopfen, die Tür zu Madis Bungalow. »Was ist denn los? Viti hat mir da irgendwas zugeflüstert.« Er blieb stehen, als er sie auf dem Bett sitzen sah, die Arme um die Schultern geschlungen, den Blick zu Boden gesenkt. »Schwesterchen … was ist denn?« Madi hob ihr schmerzerfülltes Gesicht, und er eilte zu ihr und nahm sie in die Arme. »Um Himmels willen, Madi, sag's mir. Was ist mit dir?«
    »Es geht nicht um mich, Matt, sondern um Ernesto. Er ist tot. Er liegt im Fluss.«
    Matthew schreckte entsetzt zurück. »Tot? Was meinst du damit?« Er hielt sie auf Armeslänge von sich weg, packte sie an den Schultern.
    »Er ist ertrunken. Hat sich im Fluss an einem Baumstamm verfangen. Da hinten am Pfad.«
    Matthew sprang auf. »Wir sollten schnellstens Hilfe holen, müssen versuchen, ihn da rauszuholen.«
    »Nein … warte, Matt. Ich meine, ja, das müssen wir tun, aber es ist nur …«
    »Nur was?« Matthew setzte sich wieder neben sie. »Was, Madi?«, fragte er sanft. Auch bei ihm tat jetzt der Gedanke seine Wirkung, dass von allen Leuten hier ausgerechnet der Mann, der ihm helfen wollte, tot war.
    Madi sprach langsam und leise. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Er hat nichts an. Nur seine Armbanduhr. Und an seinem Kopf ist ein tiefer Schnitt und eine dicke Beule.« Madi schwieg, als sei sie vom Reden erschöpft. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst, Matt.«
    Erneut legte ihr Bruder die Arme um sie. »He, Schwesterchen, ist ja alles gut. Kopf hoch, wie unser Vater zu sagen pflegte. Schau, es gibt nichts, wovor du Angst haben musst, auch wenn das bestimmt ein furchtbarer Schock für dich war. Vermutlich war es ein Unfall, ein schreckliches Unglück.« Matthew versuchte, sie zu trösten, aber seine Worte wurden immer schleppender. »Du hast doch niemandem von den Drogen erzählt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Lass es auch dabei. Ich weiß nicht, ob es da einen Zusammenhang gibt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Ernesto bei so was niemals mitmachen würde. Er ist aus anderen Gründen eingeladen worden, genau wie wir auch.« Einen Moment lang dachte er fieberhaft nach. »Hör zu, Schwesterchen, wir müssen augenblicklich Bescheid sagen. Ich werde ihnen sagen, was passiert ist und dass du dich nicht ganz wohl fühlst und dich ausruhst. Bleib hier. Ich schicke dir Sharee oder Viti, damit du nicht allein bist.«
    »Und Connor.«
    »Ich denke, Connor und ich sollten mit ihnen gehen … bei der Leiche bleiben, bis die Polizei eintrifft.« Er gab ihr einen raschen Kuss. »Tut mir leid, dass dir das passieren musste, es ist entsetzlich. Aber jetzt vergiss es, Madi, es ist vorbei.«
    »O nein, es ist nicht vorbei«, murmelte sie, als Matthew zur Tür hinaus und zum Haupthaus zurückrannte.
     
    Madi zog sich um, legte sich aufs Bett und hörte, wie sich die Dinge weiter entwickelten – laute Stimmen, Rufe, das Anlassen eines Motors, ein Boot, das den Fluss hinaufbrauste.
    Jemand klopfte an die Tür. »Madison, darf ich reinkommen?«
    Madi zögerte, bevor sie antwortete. »Ja, Annabel, natürlich.«
    »Mein armes Kind«, sagte sie und setzte sich auf den Bettrand, »wie schrecklich für Sie. Was für eine

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