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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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das sie über den letzten Teil der Strecke befördern würde. Nun ging es in der Stille des frühen Nachmittags stetig flussauf. Für Madi wurden Gwens Beschreibungen immer lebendiger.
    Viti reichte selbstgepressten Guavensaft und Limonade herum, und sie unterhielten sich gedämpft, während sich das Nachmittagslicht sanft über das Wasser und den Wald beiderseits des breiten, nun wieder ruhigen Flusses ergoss.
    Käpt'n Blaise sagte leise: »Bald kann man ihn sehen.«
    »Wen? Sie meinen den Wasserfall?«, fragte Madi aufgeregt.
    »Ist noch weit weg«, erwiderte der Käpt'n grinsend, »aber wenn Sie nach der nächsten Biegung in diese Richtung schauen, sehen Sie den Kaieteur.«
    Alle im Boot reckten die Hälse in die Richtung, in die er deutete. »Egal, wie oft man es sieht, es ist immer wieder atemberaubend«, sagte Ann leise. Schweigend schauten sie zu den steilen grünen Bergen hinauf, während das Boot in der Flussmitte weitertuckerte.
    »Da drüben, ist es das?«, rief Sharee. »Da rechts.«
    »Nein, das ist Großmutters Lehnstuhl. Die kleinen Fälle«, sagte Käpt'n Blaise.
    Dann öffnete sich ein Einschnitt in den Bergen, und beim Anblick dessen, was da vor ihnen lag, schrien sie alle auf. Die breite, schäumende Wasserwand, die da in eine unsichtbare Schlucht hinabstürzte, war unverwechselbar. Ein fernes Silberband, das schnell, allzu schnell außer Sichtweite kam. Nach der nächsten Biegung tauchte es wieder auf, diese unglaubliche Masse gleißenden Silbers, verborgen in den Falten undurchdringlicher, waldbedeckter Berge. Dann war es nicht mehr zu sehen.
    »Wir werden ihn erst wiedersehen, wenn wir oben stehen«, sagte John.
    »Sieht nach einer gewaltigen Kletterei aus«, meinte Connor.
    »Ist es auch«, bestätigte Ann. »Man muss es langsam angehen. Es ist ja kein Wettlauf.«
    Am späten Nachmittag, als die Sonne allmählich hinter den Bergen verschwand, erblickten sie in der Ferne einen weißen Fleck am Flussufer. »Das ist das Basislager für den Aufstieg zum Kaieteur«, verkündete Käpt'n Blaise.
    »Dort wird man uns freundlicher begrüßen als vorgestern Abend«, sagte Ann. »Die Bells sind ein nettes älteres Paar, das hier schon seit Jahren das Gästehaus führt.«
    »In den letzten drei Jahrzehnten hat sich kaum etwas verändert«, fügte John hinzu.
    Langsam wurde der kleine weiße Fleck größer und entpuppte sich als ein einfaches Haus mit weit geöffneten Fenstern, von dem sich zwei dunklere Gestalten abhoben, die wartend am Flussufer standen.
    Käpt'n Blaise stellte den Motor ab, und sie glitten ans Ufer. Der Junge sprang hinaus und schob das Boot durch das Flachwasser, bis der Kiel auf dem sandigen Boden aufsaß. Alle stiegen aus und wurden mit lauten Rufen willkommen geheißen.
    »Ich bin Roy Bell«, verkündete der knorrig wirkende alte Mann strahlend. Seine fröhliche, pummelige Frau schloss Madi, die sie als erste erreichte, in die Arme. »Und ich bin Hilda.«
    John und Ann begrüßten die Bells herzlich. »Wir haben Nachrichten, ein bisschen Post und Vorräte für Sie mitgebracht.«
     
    Das Gästehaus war weiß gestrichen, kühl, sauber und durchweht von den Gerüchen aus dem Garten. Zwei Schlafräume mit Stockbetten gingen rechts und links vom Hauptraum ab. »Die Jungen auf die eine Seite, die Mädchen auf die andere«, verkündete Ann.
    Madi schlug rasch die Matratze zurück und stellte erleichtert fest, dass sie ungezieferfrei war.
    Draußen wurde ein langer Tisch unter einer schattenspendenden Plane aufgebaut. Während rund um sie ausgepackt und eingeräumt wurde, ging Madi ein paar Schritte vom Haus weg und schaute sich um. Hinter dem Gästehaus stand ein kleineres Häuschen, das den Bells gehörte, mit einer offenen Küche unter einem palmgedeckten Dach. Dahinter lag ihre Farm und rechter Hand eine Schlucht, die zu dem fünf Kilometer entfernten Ausgangspunkt für den Aufstieg zum Kaieteur führte. Das Wasser, das von den Fällen kam, toste zunächst über Stromschnellen hinweg und flutete dann in einen gurgelnden, rauschenden Fluss, der sich allmählich beruhigte und vor dem Haus nur noch sanft und still dahinfloss.
    Flache Steine führten ins tiefe Wasser, hinter dem sich die fernen, dunklen Hügel erhoben. In der Mitte des Flusses lag eine kleine, felsige Insel, die man schwimmend leicht erreichen konnte. Das Wasser zwischen Ufer und Insel sah kühl und einladend aus. Bald hatten alle ihre Badesachen gefunden und stürzten sich in das vom Sonnenuntergang beschienene Wasser, um

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