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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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womöglich ein Drogen-Bulle. Wir arbeiten mit Leuten, für die jemand gebürgt hat.«
    Liz stellte sich dumm. »Wir dealen vor den Fabriken.«
    Angus konnte Liz’ miese Auswahl in Sachen Bettgenossen ignorieren, es war ihm aber nicht egal, an wen sie Meth verkauften. Ohne mit der Wimper zu zucken, verpasste er ihr blitzschnell einen Schlag vor den Mund. Dann einen Kinnhaken, der sie samt Stuhl nach hinten fliegen ließ. Ihr Kopf krachte auf den Boden.»Du willst hier auf dickköpfige Schlampe machen, dann behandle ich dich auch so«, sagte er. Er spuckte sie an. Trat einen Schritt zurück. Klaubte eine Zigarette aus der Brusttasche seines Hemds, ein Feuerzeug vom Tisch, ließ sie aufglühen. »Ich mach hier die Deals«, sagte er. »Hab dich und die zwei Brüder den Scheiß in der Tavern verticken lassen. Jetzt sind sie tot.«
    Liz drückte sich mit beiden Händen vom Boden hoch. Blut lief ihr von der Lippe. Sie lachte. »Ned wird’s kriegen, und du wirst bekommen, was du verdienst, Arschloch.«
    Als die Fliegentür krachend aufflog, blinzelte Angus, bemerkte den Lauf zu spät. Spürte den Feuerstoß, der in seinen Ohren eine Explosion auslöste, seine Lunge mit verbranntem Schwarzpulver füllte. Er knallte vor den Küchentresen, sank zitternd zu Boden, die Augen verdreht und weiß wie Mottenkugeln.
    Liz stand auf. »Bastard!«
    Ned schob sich in die Küche. Stieg über Angus hinweg und stupste sein Bein mit dem Stiefel an, richtete den Lauf zwischen seine Augen. Liz schob den Lauf beiseite. »Lass das Arschloch leiden, lass ihn verbluten. Sieht aus, als hättest du eh fast das Herz erwischt.«
    »Hast du den Stoff?«, fragte Ned.
    »Gleich hier.« Misstrauisch, wie sie war, schnappte sich Liz die beiden Behälter. »Lass mich noch kurz was holen.« Ging durch das dunkle Haus ins Schlafzimmer. Setzte die Behälter ab. Durchstöberte den von Mondlicht erfüllten Raum. Hob ein paar Kleidungsstücke auf und stopfte sie in ihren Rucksack. Bemerkte Angus’ Revolver auf seinem Schlafsack. Stopfte ihn zu ihrer Kleidung, zusammen mit einer Schachtel Patronen. Zog den Reißverschluss des Rucksacks zu. Warf ihn sich über die Schulter. Griff sich die Behälter. Ging zurück in die Küche. »Wohin jetzt?«, fragte sie Ned.
    Ned, das Gewehr in der einen Hand, griff Liz mit der anderen an den Arsch, drückte zu und sagte: »Zu mir, den Rest des Geschäfts zum Abschluss bringen.«

8
    Gebeugt, die Hand am Griff der Fliegentür, atmete er scharf ein. Der muffige Brandgeruch aus dem Innern des Hauses konnte die Erinnerung an das, was hier vor Jahren geschehen war, nicht überdecken. Er zog die Tür mit seiner großen Hand auf, während die kleinere, deren zwei letzte Glieder zur Hälfte fehlten, ein Stück Stahl mit langer Schneide umschlossen hielt.
    Er hatte den Schuss von der Scheune aus gehört. Sich daran erinnert, wie er an dem Tag, als seine Familie ermordet worden war, mehrere gehört hatte. Heute Nacht aber hatte er nach dem Schuss zwei Schemen aus dem Haus kommen sehen. Hatte dem Rumpeln zweier Motoren gelauscht. Hatte Lichter, eins nach dem anderen, die Straße entlangfahren, Richtung Tal abbiegen und verschwinden sehen.
    In der Küche erkannte er im Laternenlicht einen Tisch mit wild verstreuten Gegenständen. Autoschlüssel. Zigarettenpäckchen. Kaffeefilter. Einweckgläser und Dinge, die er nicht erkannte. Auf dem Boden unterhalb der Spüle, den Kopf gegen die Metallschränke gelehnt, lag das Opfer eines Massakers. Jemand hatte dem Mann, den er vor einer Woche mit der Frau hatte ankommen sehen, ein Loch in die linke Brust gefräst.
    Der Mann lag an exakt derselben Stelle, an der er, als er an jenem Tag vor langer Zeit von der Eichhörnchenjagd aus den Wäldern zurückgekehrt war, seinen Vater überrascht hatte. Die Fliegentür hatte gequietscht. Sein Vater hatte ihm das Gesicht zugedreht, ihre Blicke hatten sich getroffen. Rot erhitzter Kopf, Schweiß auf der Stirn. Außer Atem. Die Haare durcheinander. Fügte zusammenhanglose Silben aneinander. Er war den weiblichen Schreien gefolgt, die durch das Badezimmer gehallt waren. Wo er seine Mutter entdeckte, Azell, seine Schwestern – Doddy,die schwanger war, und Tate, geistig träge, aber wunderschön – alle mit Schnur gefesselt. Als er auf sie zugegangen war, hatte er gespürt wie die Hand seines Vaters seinen Nacken umklammerte.
    Er vertrieb die zu ewiger Schande geronnene Erinnerung. Stellte dem Mann einen Fuß auf die Brust. Konnte nirgendwo an ihm eine

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