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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Verrecken nicht zielen konnte.
    Gravel kam näher und näher, das Abendessen in der einen Hand und, so wie es aussah, etwas Spitzes in der anderen.
    Angus schloss die Augen. Lehnte den Kopf zurück. Wut fuhr durch seine Gedanken wie ein Presslufthammer. Erzeugte einen Schmerz, der so stark war, dass sein Gesicht taub wurde. Er hatte ihr Komplott überlebt. Musste seinen Stoff wiederbekommen. Durchziehen, was Liz und Ned nicht gelungen war – einen Mord.
    Das Vicodin wühlte seinen Magen auf. Er brauchte etwas Vernünftiges zu essen. Er zog ein letztes Mal an der Zigarette. Stand auf. Brauchte frische Luft. Sein Blick blieb am Tisch hängen, visierte die Schachtel roter Pall Mall an, die geöffnet neben seinem Wagenschlüssel lag. Ein Geistesblitz durchfuhr ihn, erinnerte ihn daran, wohin Liz ein paar Abende vor dem Angriff auf ihn gefahren war. »Leavenworth Tavern«, sagte er.
    Er ging ins Schlafzimmer, zog sich ein Hemd über, ließ die verschorfte Wunde unter zerlumptem Baumwollstoff verschwinden. Als er nach seinem Rucksack griff, hörte er, wie die Tür entriegelt wurde und die Feder sie zurück in den Rahmen knallen ließ. Er musste ein paar 9-Millimeter-Patronen auftreiben. Dann mit jemandem über eine läufige Hündin sprechen, die mit einem Köter namens Ned unterwegs war. Sie finden. Seinen Scheiß zurückkriegen. Sie schlimmer zurichten als sie ihn. Schön tief unter die Erde bringen.
    In der Küche stand Gravel am Waschbecken, drehte sich um, eine blutige Schweinerei und ein Häutemesser in den Händen. In seinem Blick lag entsetzte Überraschung. »W-w-was h-hast du … v-v-vor?«
    »Ich zieh weiter.«
    Angus kniete sich hin, griff mit der Rechten unter den Küchentisch nach der 9-Millimeter-Taurus, die er dort für den Notfall mit Klebeband befestigt hatte. Riss sie ab. Das Nächste, was er hörte, war das Klirren von Stahl, der in die Spüle knallte, und ein Kreischen. »N-Nein!« Spürte, wie eine Hand seine Schulter ergriff und daran zog. »D-du k-kannst nicht g-gehen.«
    Angus sah Gravel in die Augen, die sich aus verwirrter Gekränktheit weiteten und zusammenzogen. »Scheiße, und ob ich kann«, sagte er. Er ließ ihn stehen.
    Gravel dachte an seinen Vater, dachte an die Bindung, die dieser zerstört hatte, etwas, das Gravel nun nach all den Jahren wieder aufbaute, indem er diese Seele, die ihm so ähnlich war, pflegte und sich um sie kümmerte. Dann starrte er auf die Pistoleund sagte: »Nicht … sch-schießen. H-hasse … schießen.« Und er ging auf Angus zu, griff nach der 9-Millimeter in seiner Hand.
    Die beiden Männer rangen um die Waffe. Angus’ Finger glitt auf den Abzug, er biss die Zähne zusammen, straffte seinen Körper, drückte Gravel den Lauf in die Eingeweide und feuerte schließlich ohne darüber nachzudenken mehr als einmal.
    Messing schlug heiß auf. Blut pochte noch heißer aus Gravels Eingeweiden. Er knallte rückwärts gegen den Tresen. Blickte auf die breiige Masse überall und zurück zu dem perlenäugigen Mann, schockiert und betrogen. Er hatte sich um ihn gekümmert wie um seinesgleichen. Ein durchdringendes bestürztes Heulen kam aus seinem Mund. Während sich sein Kopf unkontrolliert hin und her wand, rutschte er am Schrank hinunter, just an der Stelle, wo er Angus gefunden hatte. Wo Gravels Vater an jenem Tag gestanden hatte.
    Angus steckte sich die heiße Pistole in den Hosenbund. Schnappte sich die Schlüssel und die Zigarettenschachtel vom Tisch. Wandte sich Gravel zu, der die Hitze betastete, die ihm aus dem Bauch floss, einen verlorenen Blick in den Augen. Aber Angus ließ sich nicht beirren. »Das ganze Leben ist ein Spiel«, sagte er nur. »Es gibt immer einen Gewinner und einen Verlierer. Bei mir bin ich nicht ganz sicher, bei dir allerdings schon.«
    Angus trat durch die Fliegengittertür in den aufziehenden Abend. Ging die Stufen aus Flusssteinen hinab zu seinem Pinto. Der Motor sprang an. Er legte den Rückwärtsgang ein. Setzte zurück. Schaltete auf Drive. Startete durch, die Straße hinab wie ein Vampir in Erwartung der Dunkelheit, während er vor sich hinmurmelte: »Jetzt krieg ich dich, Schlampe.«
    *
    Pete wartete, seine langen Arme rankten aus einem zerschlissenen, militärgrünen Buckmasters-T-Shirt. Er stützte sie auf diemit Kerben übersäte Hartholztheke von Cur’s Watering Hole, einer Kaschemme, die ihm und seinem Bruder gehörte. Wo er Bier und Whiskey verkaufte. Meth und Gras an die Kunden vertickte. In einer schlammigen Bodensenke

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