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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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die Idee, im Großen und Ganzen. Gibt eine Riesenmeute Zuschauer. Es gehen jede Menge Wetten ab. Essen. Saufen. Guter Ort, um das Crank zu verticken. Bisschen so wie ein Grateful-Dead-Konzert mit Fäusten.«
    Liz’ Augen wurden groß, was sie wie riesige Hagelkörner aussehen ließ. »Was springt für uns dabei raus?«
    »Ein ganzer Haufen Geld. Und es wird genug Crank übrig bleiben, um danach eine Woche oder länger auszuspannen. Das war der Deal. Deinen Typen beseitigen, dir helfen den Stoff zu verticken für die Hälfte vom Erlös, eine Nummer ab und zu, plus ein paar Kostproben vom Crank.«
    Liz schüttelte den Kopf. »Er war nicht mein Typ. Er war mein verdammter, scheiß-verrückter Bruder. War selbst mal ein Kämpfer.«
    »Echt jetzt, na ja, nun ist er zurück bei den Maden. Wie war sein Name?«
    »Angus, Chainsaw Angus.«
    Ned warf sich in die Brust, zeigte sein Kürbisfratzen-Lächeln. »Ja leck mich doch am Arsch, da hab ich wohl eine Legende ausgeknipst.«
    *
    Gravel hatte Angus in den Raum geschleppt, wo er und Liz geschlafen hatten. Wo sich die Vinyltapete von den Wänden löste und abrollte. Die hölzernen Fensterbretter waren verwittert undmodrig und mit ihren ringförmigen sirupartigen Flecken sah die Decke aus, als hätte jemand ein Tabaksaft-Wettspucken veranstaltet. Zweimal am Tag brachte Gravel einen Blecheimer mit Wasser und wusch die fransige Schweinerei ungenähter Muskeln mit Seifenlauge aus. Tupfte das Blut und das rostfarbene Sekret ab. Versorgte die Wunde mit Leinenlappen, herausgeschnitten aus den Kleidern seiner Schwestern und seiner Mutter. Als Angus wieder zu sich gekommen war, hatte die Bestie von jungem Mann ihm eine Hand auf den Brustkorb gelegt. Stotternd hervorgebracht: »D-du b-bleibst hier.«
    Um mit den Schmerzen klarzukommen, hatte Angus ihn gebeten, die durchsichtige orangefarbene Pillendose zu suchen, die irgendwo in seinem Kleiderhaufen steckte. Was er getan hatte. Angus hatte das Vicodin mit Wasser runtergespült und so den Schmerz in die Schranken gewiesen.
    Zum Essen hatte Gravel die Kaninchen aus seinen Fallen geholt und mit der Schleuder Eichhörnchen von Bäumen geschossen. Sie ausgenommen, das Fell abgezogen und das Fleisch gesäubert, dann das Jagdwild zusammen mit Kartoffeln zubereitet, sich und Angus außerdem mit Wurzeln versorgt, die er im letzten Frühling gesammelt und getrocknet hatte, sie in einen Kessel mit Wasser getan, über glühenden Kohlen erhitzt und den Sud ausgekocht, damit sie ihre heilenden Wirkstoffe freisetzen konnten. Er hatte Angus in eine Welt zurückgeholt, in der Zeit keine Rolle spielte. Sie sprachen wenig, während sie ihr Essen kauten, die Blicke wandern ließen und sich aneinander gewöhnten. Einmal sagte Angus: »Gar nicht mal so schlecht.«
    Mit der Zeit überkam Gravel das Gefühl, dass sich eine höhere Bedeutung des Ganzen herauskristallisierte. So als habe er bislang allein für das Land gelebt. Aber jetzt, wo er das lange genug getan hatte, musste er sich plötzlich um eine andere Existenz kümmern und würde eine wesentlich größere Verantwortung tragen.
    Angus saß mit freiem Oberkörper in der unordentlichen Küche und starrte durch die Fliegentür nach draußen. Seine Kraft war wieder voll da. Das Vicodin hielt die Schmerzen in Schach. Ein Gedanke ließ ihn nicht los, so wie die in Großschrift eingravierten Namen auf seinem bleichen Körper. Gothic Iris , Razored Clint und Ali Squires stand auf seinen vierzig Jahre alten Brustmuskeln. Marvin , Isreal und Junis waren in seine rechte Schulter eingestochen. Namen gefallener Männer. Der Gedanke lautete, Liz musste sterben.
    Eine Zigarette hing zwischen seinen Lippen. Rauch waberte hinauf in die Nase, brannte ihm in den Augen. Das Problem war, Angus hatte keine Ahnung, wo Liz sein konnte.
    Er sah zu, wie das Abendlicht durch das Fliegengitter brannte. Gravel tauchte in der Ferne neben der Scheune auf. War schon ein hässlicher Vogel mit seinem Kleid, den Stiefeln und seiner spaltzüngigen Sprechweise, aber er hatte Angus’ alten plattgewalzten Kadaverarsch zurück zu den Lebenden geholt.
    Angus stellte sich vor, wie Blut spritzte. Gegen eine verblichene, sich aufrollende Tapete klatschte. An scharfe Kanten. Flache Knöchel. Daran, wie jemandem die Eingeweide durch eine 9-Millimeter-Öffnung herausgepustet wurden.
    Er zog an der Pall Mall. Atmete aus. Fragte sich, wohin die krausköpfige Schlampe mit diesem grätigen Ned wohl fahren würde? Dem Mann, der abgedrückt hatte. Ums

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