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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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wurden. Geh mal und guck, ob du in ihrem Schlafzimmer irgendwelches Geld findest. Ich kümmere mich um die beiden.«
    Liz, maximal genervt, bedachte Ned innerlich mit allen Verwünschungen, die ihr einfielen, nannte ihn ein Stück Madenscheiße und eine lebende, atmende Missgeburt, während sie den Flur entlang zur ersten Tür ging. Ein Badezimmer. Besah sich die Toilettenschüssel mit dem orangeroten, ringelflechtenartigen Fleck, das dazu passende Waschbecken und den mysteriösen Schimmel, der die Badewanne von innen auskleidete. Die zerknüllten Handtücher auf dem Boden. Die leere Klorolle. Den kaputten Spiegel. »Das hier ist noch schlimmer als Neds Wohnung«, sagte sie zu sich selbst.
    Ein Stück weiter den Flur entlang kam sie in das einzige Schlafzimmer. Ein Etagenbett aus Holz stand in einer Ecke an der Wand. Identische Raggedy-Ann-and-Andy-Bettwäsche oben und unten. Dodges Name war in den unteren Querbalken geritzt. Elbows in den oberen. Liz schüttelte den Kopf. »Was zum Henker?«
    Kleidung schimmelte in Haufen vor sich hin. Superhelden-Actionfiguren säumten ein Bücherregal. Comichefte stapelten sich zusammen mit Soldier of Fortune -Heften auf einer Kommode. Pornohefte mit großbrüstigen Frauen lagen daneben. Hüllen von Pornofilmen bedeckten den Boden. Liz arbeitete sich durch die ganze Bandbreite an Müll, inspizierte einen Schrank. Fand ein AR-15-Sturmgewehr. Einen Metallbehälter mit Munition. Ein Pflegeset für Schusswaffen.
    Schaute unter den Matratzen nach. Dann in der Kommode. Fand ein paar verkrustete Kondome. Eine Dose Vaseline, dekoriert mit Schwanzhaaren. Kartons mit Latexhandschuhen. Handschellen. Einen Revolver Kaliber 22. Aber kein Geld.
    »Nichts?«, fragte Ned, als sie zurück ins Wohnzimmer kam.
    Liz schüttelte den Kopf. »Nichts Brauchbares. Ich guck mal im Gefrierfach.«
    Ned sah sie entgeistert an. »Gefrierfach?«
    »Die Leute, die ich kenne, bewahren das Geld entweder in einer Kaffeedose im Gefrierfach auf oder vergraben es im Hof«, sagte Liz.
    Der Kühlschrank war schmutzig-braun, übersät mit Superhelden-Magneten und mit Klebeband befestigter Polaroids nackter Frauen. Ihre Hand umfasste den Griff. »Bleib da weg, du Fotze!«, fing Dodge an zu geifern.
    Im Gefrierfach lagen durchsichtige Tütchen voller gefrosteter Gebilde. Dahinter stand eine blau oxidierte Maxwell-House-Dose. Liz zog sie hervor, wobei ein paar Tütchen auf das Linoleum fielen. Entfernte den Deckel. Sah hinein. Ihre Augen leuchteten auf. »Hier ist ein Bündel drin. Dick genug, um damit ein Pferd zu ersticken.«
    Ned schnitt eine Grimasse, ging zu Elbow, kniete sich hin und schnürte mit der Hand seine Crisco-Brattfett-Locken zusammen. Riss seinen Kopf nach hinten, presste ihm den Revolver ins tröpfelnde Auge. »Wo sollst du dich mit Pete treffen?«
    *
    Die Zähne der Kinder bohrten sich in Whalens linke Seite wie Ameisen, die einen Gang aushöhlten. Toxische Dämpfe stiegen heiß über dem Herd auf, fluteten den Wohnwagen, erschwerten Whalen das Atmen. Er hielt die Waffe mit beiden Händen fest umklammert. Der Mann versuchte, seinen Griff zu lockern, sein Herz wummerte Whalen gegen die Brust, pumpte ihm die Wärme seiner Eingeweide auf das Hosenbein.
    Die Frau stieß dem Sheriff ihre glock-geschwollene Stirn ins Gesicht. Entblößte ihre Zähne, die wie verbranntes Fett aussahen,fuhr ihm mit der breiten Zunge über die Wange und ins Ohr und griff ihm in den Schritt.
    Whalen erschauderte. Konzentrierte all seine Kraft darauf, die Waffe nicht loszulassen, und stieß sie in jemanden hinein. Drückte ab. Der laute Knall machte ihn taub. Eine dumpfe Stimme schrie: »Scheiße!« Der Mann hörte auf, um die Waffe zu ringen. Whalen drückte erneut ab. Spürte, wie die Lippen der Frau sich in seinem Ohr spitzten, ihre Hand seinen Schritt losließ. Sie rollte von ihm herunter. Er nahm die linke Hand von der Waffe. Hielt sie mit der rechten weiter fest. Fuhr sich mit der linken seitlich am Körper hinab und spürte, wie sich ein Mund in seinem Handgelenk verbiss. Ignorierte den Schmerz. Zog sein Pfefferspray heraus. Entriss seine Hand dem kleinen Mund. Sprühte das Pfefferspray in das Genage.
    Schreiend prallten die Kinder zurück, die Fäuste zu winzigen Schnecken geballt, mit denen sie sich die Augenhöhlen rieben. Tränen liefen ihnen aus den Augen wie Kondenswasser von beschlagenem Glas.
    Whalen schob sich zurück, weg von dem Mann und der Frau.
    Der Mann saß am Boden, mit dem Rücken an den Herd gelehnt. Die

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