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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagena
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das nicht gleich gesagt? Darf ich meinen Eltern etwas ausrichten,
     vielleicht? Und willst du nicht wissen, wo ich morgen schwimmen gehe? Und willst du
     nicht mit mir Abend essen?
    Er drehte mit großer Konzentration den Korken vom
     Korkenzieher, während er sprach, und nur bei der letzten Frage blickte er mich kurz
     an.
    Ich lehnte mich zurück und seufzte tief.
    - Ja. Ja, das will ich, Max. Ich möchte sehr, sehr, sehr
     gerne mit dir Abend essen, vielen Dank.
    Max schwieg und sah mich an, sein Lächeln war ein bisschen
     angestrengt.
    - Was ist? fragte ich erstaunt. Hast du nur aus
     Höflichkeit gefragt?
    - Nein, aber ich warte auf das Aber.
    - Welches Aber?
    - Na, das Aber von »Ja, ja, liebster Max, ich will ja, ich
     will so schrecklich gerne, aber …«, das Aber meinte ich.
    - Kein Aber.
    - Kein Aber?
    - Nein, Mann. Aber wenn du noch lange fragst, dann –
    - Siehst du, da war doch noch ein Aber!
    - Ja. Stimmt.
    - Ich wusste es, seufzte Max und hörte sich zufrieden an,
     dann stand er abrupt auf und sagte:
    - Also los. Gehen wir und gucken wir nach, was wir in der
     Küche finden.
    Wir fanden eine ganze Menge in der Küche. Ich lachte viel
     an diesem Abend, vielleicht unangemessen viel für jemanden, der wegen einer
     Beerdigung hier war. Aber ich fühlte mich wohl mit Max und seiner höflichen
     Unverschämtheit. Er hatte so viel Brot und Oliven und Pasten und Dips im
     Kühlschrank, dass ich ihn fragte, ob er Besuch erwartet hätte oder noch bekäme.
     Daraufhin hielt er kurz inne, guckte etwas komisch und schüttelte nur den Kopf. Dann
     knickte er ein und gab zu, dass er vorgehabt hatte, mich zu fragen, weil er eben ein
     sensibler Mensch wäre und mich an der Schleuse zu Tode erschreckt hätte und weil er
     nicht hätte ahnen können, dass ich gleich bei ihm eindringen würde. Dabei grinste er
     etwas schief und schmierte sich Porreecreme auf das Brot. Ich sagte nichts.
    Als ich aufstand, um zu gehen, war es dunkel. Max
     begleitete mich hinaus zum Fahrrad. Und als ich meineHand auf den
     Lenker legte, tat er seine darüber und küsste mich kurz auf den Mundwinkel. Sein
     Kuss durchfuhr mich mit einer Wucht, die mich verblüffte. Jedenfalls gingen wir
     beide erst mal einen Schritt rückwärts, wobei ich einen Blumentopf umtrat. Hastig
     stellte ich ihn auf und sagte:
    - Entschuldigung. Das tue ich immer, wenn ich mich
     irgendwo wohl fühle.
    Und Max sagte, er habe sich auch wohl gefühlt heute Abend.
     Und wir wurden ganz still und standen da draußen im Dunkeln. Und bevor Max noch
     irgendetwas tun oder nicht tun konnte, nahm ich mein Rad und fuhr zurück zum Haus.
    In dieser Nacht schlief ich wieder nicht gut. Ich musste
     schließlich nachdenken.

    Und wieder wachte ich sehr früh auf. Die Sonnenstrahlen
     tasteten sich noch unsicher an der Zimmerwand entlang. Ich stand auf, warf mir das
     goldene Ballkleid meiner Mutter über, radelte zum See, schwamm einmal hin und her,
     begegnete wieder den gleichen Hundebesitzern wie gestern, Max aber nicht. Ich fuhr
     zurück, kochte Tee, legte Käse zwischen zwei Scheiben Schwarzbrot und stellte alles
     auf ein Tablett. Das trug ich durch die Diele und dann hinaus auf die Obstbaumwiese
     hinterm Haus. Dort standen ein paar verwitterte Gartenmöbel. Ich stellte mir zwei
     weiße Holzklappstühle in die Sonne, auf den einen Stuhl tat ich das Tablett, auf den
     anderen setzte ich mich. Meine bloßen Füße waren nass vom Tau, und der Saum des
     Kleids war es auch. Das Gras hier war zwar schon einige Zeit nicht gemäht worden,
     aber sicher nicht länger als vier oder fünf Wochen. Ich trank meinen Tee mit Herrn
     Lexows Milch und betrachtetedie alten Apfelbäume und dachte an
     meine Großmutter Bertha.
    Nachdem sie an einem Herbsttag beim Apfelernten aus dem
     Baum gefallen war, war nichts mehr wie vorher. Natürlich ahnte das zunächst noch
     keiner. Sie selbst am allerwenigsten. Aber von da an hatte sie oft Schmerzen in der
     Hüfte, wusste plötzlich nicht mehr, ob sie ihre Tabletten für die Hüfte schon
     genommen hatte oder nicht. Sie fragte Hinnerk immer wieder, ob sie sie schon
     genommen habe oder nicht. Hinnerk wurde ungeduldig und antwortete gereizt. Bertha
     bekam Angst vor dieser Schärfe, denn sie wusste es wirklich nicht und hätte schwören
     können, dass sie ihn noch nicht gefragt hatte. Da Hinnerk immer schon mit den Augen
     rollte, wenn sie fragte, fragte sie nicht mehr, wurde aber unsicher in vielen
     Dingen. Sie fand ihre Brille

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