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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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drücken, und war wieder weg.
    So hätte es noch länger weitergehen können, wäre er kein Politiker gewesen und wäre sein Name nicht irgendwann im Zusammenhang mit einer zukünftigen Präsidentschaftskandidatur genannt worden. So aber nahm die Presse ihn unter die Lupe, vor allem, als er für den Senat kandidierte. Ellie war vier, als die Geschichte ans Licht kam und ihr Leben verdüsterte.
    Drei Monate lang versuchte Mom es auszuhalten. Drei Monate lang wurde sie von Presse und Fernsehen gejagt, überall von Kameras verfolgt, von Reportern belästigt und mit Fragen bombardiert. Auf Fotos im Internet hatte Ellie eine jüngere Version ihrer Mutter gesehen, hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt. Immer hatte sie Ellie auf dem Arm und drückte ihr Gesicht in ihren Pullover, um sie vor den grellen, gnadenlosen Blitzlichtern zu schützen.
    Es gab eine Million Gründe wegzuziehen. Trotzdem hatte Mom nicht vorgehabt, ein großes Geheimnis aus der Sache zu machen. Sie wollte erst mal bloß einen Sommer lang raus, darum mietete sie ein Ferienhaus in Henley, wo sie als Kind einmal gewesen war. Doch als sie ankamen, erzählte sie Ellie später, war sie sehr erleichtert, weil alles so friedlich war. Wolken zogen über den blauen Himmel und warfen Schatten aufs Wasser, auf dem Dorfplatz spielte ein Mann Gitarre. Henley war so himmelweit entfernt von Washington mit seinen schmierigen Skandalen und immer sendebereiten Politikern und vor allem vom Vater ihrer Tochter, der seit Bekanntwerden der Geschichte auf jede einzelne Frage von jedem einzelnen Journalisten mit zwei schlichten Worten geantwortet hatte: »Kein Kommentar.«
    Als sich also an jenem Tag in der Eisdiele der erste Einheimische vorstellte und sie erwartungsvoll anschaute, offenbar ohne einen Schimmer von der Schande, die mit dem Namen Margaret Lawson verbunden war, brachte sie kein Wort heraus.
    Margaret Lawson war eine vierundzwanzigjährige Kellnerin aus Vermont, die davon geträumt hatte, die Welt zu verändern, die Umwelt zu retten, in Washington was zu bewirken, die aber stattdessen Männern in Geschäftsanzügen Kaffee servieren musste, um die Miete zahlen zu können. Sie hatte keine Eltern, keine Familie, keine Wurzeln, aber ihr Name hatte auf den Titelseiten Dutzender Zeitschriften geprangt, obwohl sie absolut nicht geschaffen war für jegliche Art von Rampenlicht. Sie hatte den schlimmstmöglichen Fehler begangen, aber war dafür mit dem Bestmöglichen belohnt worden.
    Margaret Lawson hatte in dieser neuen Stadt, in diesem neuen Leben keinen Platz. Stattdessen rutschte ihr also ein Kindheitsname über die Lippen, der seit vielen Jahren ungenutzt verstaubt war, gekoppelt mit dem Mädchennamen ihrer Mutter.
    »Maggie O’Neill«, sagte sie schließlich und streckte die Hand aus.
    Und so einfach verschwand Margaret Lawson und nahm Eleanor Lawson gleich mit.
    Sie sprachen kaum noch darüber, sie und Mom. Aber es war immer noch da, wenn sie beim Zappen ein bisschen zu schnell am Nachrichtensender vorbeiklickten, wenn die Zeitung morgens auf ihre Schwelle klatschte und Neuigkeiten aus der Welt der Politik brachte. Und vor allem, wenn sie übers Geld und übers Studium sprachen, über all die Dinge, die so unkompliziert sein könnten, wenn sie noch Eleanor Lawson wäre oder gar Eleanor Whitman und nicht Ellie O’Neill.
    Ihr Vater war inzwischen Senator und ein ernsthafter Anwärter auf eine Nominierung zum nächsten republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Der Skandal war irgendwann versickert wie meistens bei Skandalen. Doch in jedem Artikel, Blogeintrag oder Nachrichtenbeitrag zum Thema gab es immer ein Dementi der angeblichen Affäre mit einer Kellnerin, auch nach so langer Zeit noch. Manchmal wurde die mögliche Existenz einer unehelichen Tochter erwähnt, aber meistens ging sie unter, denn alle interessierten sich viel mehr für seine richtige Familie: seine sehr großmütige Ehefrau und ihre zwei Jungen – einer ein Jahr älter als Ellie, einer ein Jahr jünger –, beide so blond wie ihre Mutter und meist bei gemeinschaftlichen Aktivitäten mit ihrem Vater abgebildet, beim Jagen, Campen oder Angeln.
    Ohne Frage aßen sie nicht im Fischimbiss, sondern in schicken Restaurants, und gingen auf Privatschulen, die Uniformen vorschrieben, anstatt auf staatliche Schulen, die mit Finanzproblemen zu kämpfen hatten. Und wahrscheinlich müssten sie auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihren Vater nach dem Geld für einen Sommerkurs Lyrik fragen

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