Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
noch?«
»Nichts«, gebe ich zu. »Walding ist nicht München, wie du weißt.«
»He, immerhin habt ihr ein Jugendhaus, einen Reitstall und einen berühmten Bio-Bauernhof!« Mattis grinst, wird aber gleich wieder ernst. »Hättest du denn Lust, mit zu mir zu kommen? Ich kann ziemlich gute Spiegeleier braten.«
Ich zu ihm! Oh mein Gott!
»Spiegeleier zu braten ist ja auch nicht gerade schwer«, sage ich, um zu überspielen, dass ich bei seinem Vorschlag beinah einen Herzinfarkt bekommen habe.
»Stimmt, das ist nicht schwer. Aber Speck braten kann ich auch«, sagt Mattis und zieht eine Augenbraue hoch. »Und Kaffee kochen! Na, was sagst du jetzt?«
»Dass du wahrscheinlich bloß auf das Knöpfchen eures Kaffeevollautomaten zu drücken brauchst, oder? Gib’s zu.« Ich lache atemlos.
»Nee, ich koche richtigen Kaffee in einer original italienischen Blechkanne auf dem Herd.« Er lächelt triumphierend.
»Wenn das so ist, komme ich natürlich mit«, sage ich gnädig, obwohl ich in Wirklichkeit vollkommen aus dem Häuschen bin. »Kaffee wie im Italienurlaub kann ich mir unmöglich entgehen lassen.«
»Dachte ich’s mir doch.« Mattis schaut mir tief in die Augen, und ganze Bäche von Tintenblau fluten meinen Körper. »Also lass uns umkehren. Ich wohne nämlich in der anderen Richtung.«
Die Bendings leben in einem kleinen, hübsch renovierten Bauernhaus etwas außerhalb von Walding, zwischen Weizenfeldern, Mais und Wiesen.
»Wow«, staune ich, als wir durch den üppig blühenden Garten zur Haustür gehen. »Da habt ihr euch aber wirklich den entlegensten Winkel ausgesucht, was? Wie lange brauchst du denn von hier zur Schule?«
»Zwanzig Minuten«, sagt Mattis. »So lange war ich in München auch unterwegs. Nur dass ich in der U-Bahn saß statt zu laufen.«
München. Ein gutes Stichwort.
»War’s denn schön mit deiner Freundin?«, frage ich, meinen Blick fest auf die Haustür geheftet.
Er zögert kurz. »Schön würde ich nicht sagen. Nein.«
Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, bleibe zwei Meter vor der Haustür stehen und wende mich Mattis zu. »Und was würdest du sagen?«
Er schaut mich an, sucht nach den richtigen Worten. Als er spricht, klingt seine Stimme noch rauer als sonst.
»Ich würde sagen, dass es nie schön ist, mit jemandem Schluss zu machen. Ich würde sagen, dass Nicola geweint hat, und dass ich mich verdammt mies gefühlt habe deshalb. Dass ich aber trotzdem die ganze Zeit über sicher war, das Richtige zu tun. Weil man nicht mit jemandem zusammen bleiben kann, wenn man sich Hals über Kopf in eine andere verliebt hat.«
Ich starre Mattis an. Frage mich, ob ich das gerade richtig verstanden habe. Ob er es wirklich so gemeint hat, wie es bei mir angekommen ist.
»Ich wollte es Nicola nicht am Telefon sagen«, dringt Mattis’ Stimme in mein rotierendes Hirn. »Also musste ich zu ihr nach München fahren. Alles andere wäre unfair gewesen.«
Farbblitze zucken über meinen Monitor, rot, zitronengelb und beige, während mir abgehackte Gedanken durch den Kopf schießen: Sie heißt Nicola – und er hat mit ihr Schluss gemacht – aber nicht am Telefon – Lenas letzter Freund hat sie per SMS abserviert – Noah hat mir diese widerliche DVD in die Hand gedrückt – anders, Mattis ist so anders, und ich bin so verliebt in ihn … Warum hat er Schluss gemacht?
Meinetwegen?
In diesem Moment wird von innen die Haustür aufgerissen, und Mattis und ich zucken gleichzeitig zusammen. Ein etwa neunjähriger Junge steht im Türrahmen und kräht: »Hab ich Mama doch gleich gesagt, dass das deine Stimme ist! Warum bist du denn schon wieder zurück, Mattis? Und das Mädchen da, ist das diese Sophie?«
Mattis reißt seinen Blick von mir los, die Störung ist ihm sichtlich unangenehm.
»Erraten, du Schlaukopf«, sagt er zu dem Kleinen und dann erklärend zu mir: »Mein Bruder Johannes.«
»Bleibt ihr jetzt hier?«, fragt Johannes neugierig.
Statt einer Antwort zieht Mattis die dunklen Augenbrauen zusammen. »Ich dachte, du wolltest mit Mama einkaufen gehen.«
»Sie musste unbedingt noch was an ihrem Bild verbessern, irgendein Rot neu mischen. Du kennst sie ja, wenn sie nicht genau die richtige Farbe findet.« Johannes, von Mattis’ finsterem Blick nicht im Mindesten beeindruckt, zuckt mit den Schultern. Altklug fügt er hinzu: »Was will man machen. Mama spinnt halt mit ihrer Kunst.«
»Das habe ich gehört!«, erklingt eine gut gelaunte Stimme aus dem Inneren des Bauernhauses. Keine zwei
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