Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
– die Einzige, die mich vielleicht aufmuntern könnte – vergnügt sich mit Leon im Ferienlager. Ausgerechnet heute kommt eine Postkarte von ihr an, ein altmodisches Ding in Siebziger-Jahre-Farben, das Lena wohl lustig findet.
Ich nicht.
Gar nichts ist lustig, wenn Mattis mich nicht will, mich nie wollte. Wie konnte ich nur je etwas anderes glauben?
Immerhin, denke ich trübe und starre aus dem Fenster meines Zimmers, in dem ich seit Stunden untätig hocke, immerhin hat er es nicht bis zum Ende durchgezogen. Anders als Noah. Der sich nicht damit begnügt hat, mich zum Spaß aufzureißen, sondern der mich unbedingt auch noch um das betrügen musste, was man nur ein Mal im Leben zu verschenken hat und das sämtlichen Mädchenzeitschriften zufolge schön, ergreifend, atemberaubend sein sollte.
Was es bei mir definitiv nicht war.
Ich verdränge den Gedanken an Noah, an mein erstes und einziges Mal, an meinen Jammer danach. Mein aktueller Liebeskummer reicht vollkommen aus. Missmutig stehe ich vom Schreibtisch auf, lasse den zerkauten Bleistift, mit dem ich sinnlos herumgekritzelt habe, in den Papierkorb fallen. Vielleicht sollte ich tatsächlich mal einen Bleistift-Großhandel ausrauben.
Oder mich aufs Bett werfen und an die Decke starren.
Oder Musik anmachen, so laut aufdrehen, dass ich nicht mal mehr das empörte Klopfen meiner Eltern an der Zimmertür höre (die ich natürlich vorher abgeschlossen habe), und mich in Tagträumen verlieren, die niemals Wirklichkeit werden – Träumen von Mattis und mir. Mattis, den ich so golden, schimmernd und strahlend liebe, wie es nach dieser kurzen Zeit eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Vor allem, weil er meine Liebe ja nicht erwidert. Weil er eine Freundin in München hat. Womit das Gedankenkarussell sich von Neuem zu drehen beginnt.
Ich setze meinen Plan mit der lauten Musik in die Tat um, liege gefühlte acht Stunden auf meinem Bett und denke an Mattis, Mattis, Mattis. Und weiß am Abend dieses beschissenen Tages immer noch nicht, ob ich ihm die kalte Schulter zeigen oder ihm heulend um den Hals fallen soll, wenn er morgen tatsächlich beschließt, dass ich gut genug dafür bin, ihm das Wochenende zu versüßen.
Dreizehn
»Sophie-hie! Besuch für dich!«, ruft Mama.
Es ist Samstag, neun Uhr in der Früh, und nachdem ich die halbe Nacht grübelnd wach gelegen habe, bin ich jetzt noch nicht mal angezogen. Ich springe aus dem Bett, so elektrisiert, als habe meine Mutter mich nicht gerufen, sondern an eine Steckdose angeschlossen. Besuch! Mattis! Er will mich sehen!
Entgegen allen guten Vorsätzen, mich distanziert und gleichgültig zu geben, schnappe ich mir meinen Morgenmantel, werfe ihn mir über und rase die Treppe runter. Mama steht an der Tür und plaudert höflich mit jemandem, den ich nicht sehe. Ist er es? Ist er es nicht?
»… für die frühe Störung«, entschuldigt sich der Jemand gerade, und mein Herz springt fast aus meiner Brust, als ich Mattis’ raue Stimme erkenne. »Ich war noch nie im Café Lamm frühstücken, und ich dachte, vielleicht hat Sophie ja Lust, mit mir …«
»Ja«, keuche ich, als ich die beiden erreiche. »Klar hab ich Lust!«
Meine Mutter dreht sich zu mir um, und ihr missbilligender Blick macht mir schlagartig klar, wie ich aussehe: verschlafen, verstrubbelt und im Morgenmantel. Mist. Vielleicht hätte ich vor dem An-die-Tür-stürzen mein Gehirn anschalten sollen.
Aber Mattis lächelt mich an, so liebevoll, dass die pinken Stacheln und silbernen Tropfen in mir sich auflösen und ich zurücklächele, breit und sonnig. Obwohl er gestern bei seiner Freundin war. Ich kann einfach nicht anders.
Und als ich eine Viertelstunde später mit ihm aus dem Haus trete, blitzgeduscht und mit offenem, glänzendem Haar, wenn auch mit ungezupften Augenbrauen, da bin ich so voller kribbelnder Vorahnung, dass ich es meiner Mutter sogar verzeihe, dass sie Mattis die ganze Zeit über ausgefragt hat.
»Willst du wirklich ins Café Lamm?«, frage ich, als wir die Hauptstraße entlangschlendern. »Das Frühstück dort ist nicht besonders gut.«
»Mir egal, wo ich frühstücke«, sagt Mattis. »Hauptsache, du bist dabei.«
Ich schaue in seine Augen, überrascht von diesem Geständnis, und entdecke einen Hunger darin, der weder Croissants noch Brezeln gilt. In meinem Bauch fliegt ein ganzer Schwarm bunter Schmetterlinge auf.
Mattis räuspert sich. »Möchtest du lieber woanders hin als ins Lamm?«, fragt er. »Was gibt’s hier denn sonst
Weitere Kostenlose Bücher