Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
verbrannten Eiern.
»Shit!«, flucht Mattis, löst sich von mir und reißt die qualmende Pfanne vom Herd.
Wir schauen auf die schwarzen Klumpen, die eigentlich Spiegeleier werden sollten. Dann blicken wir uns in die Augen und prusten gleichzeitig los.
Mattis schaltet die Herdplatte aus, streicht sich durch das dunkle Haar, das ich gründlich zerzaust habe, und sagt: »Tja, uns bleibt immer noch der Kaffee. Und vielleicht eine Scheibe Brot?«
»Klingt nach einem perfekten Frühstück«, erwidere ich, und Mattis grinst und nimmt mich wieder in die Arme.
Das perfekte Frühstück kann noch ein bisschen warten.
Vierzehn
Als wir nach einem improvisierten, aber leckeren Frühstück mit unseren halb leeren Kaffeetassen am Küchentisch sitzen, fühle ich mich wie aus der Zeit gefallen. Mein innerer Monitor ist mit einem flauschigen Weinrot überzogen, das meine Seele sofort als Glück erkennt, und ich bin mir sicher, dass ich nie etwas Wunderbareres erleben werde als das hier: am Kaffee nippen. Mattis’ glühenden Blick erwidern. Seine lächelnden Lippen betrachten, die vom Küssen ein wenig geschwollen sind. Und bei alldem wissen, dass ich es bin, die für Schwellung, Lächeln und Glühen verantwortlich ist.
Ich und Mattis. Mattis und ich. Wir sind ein Paar.
Am liebsten würde ich diese herrliche Küche nie wieder verlassen.
»Soll ich dir den Rest des Hauses zeigen?«, macht Mattis meine Träumereien zunichte. Und versöhnt mich augenblicklich dadurch, dass er nach meiner Hand greift und mit dem Daumen über meinen Handrücken streicht.
Wir schlendern durch das Bauernhaus, und erstaunt stelle ich fest, dass jedes Zimmer in einer anderen Farbe gestrichen ist. Das Wohnzimmer mit seinen gemütlichen Sofas und dem Kamin ist sonnengelb, das Bad hellblau, das Atelier orange, das Arbeitszimmer von Mattis’ Vater – er ist Journalist, erzählt mir Mattis – ist lindgrün gestrichen und Johannes’ Kinderzimmer wieder gelb, aber in einer lichten, zarten Schattierung.
»Meine Mutter ist fest davon überzeugt, dass Farben unsere Stimmung beeinflussen«, sagt Mattis, während er mich durch den Flur zum letzten Zimmer führt: seinem.
Ich denke an den perfekten Rotton, den Nathalie Bending vor dem Einkaufen unbedingt noch mischen wollte. »Farben scheinen ihr viel zu bedeuten. Vielleicht muss man als Malerin so sein.«
»Oh, diese Aussage würde sofort ihren Widerspruch hervorrufen!« Mattis verzieht das Gesicht, dann verstellt er seine Stimme und klingt nun fast wie seine Mutter: »Niemand muss irgendwie sein, mein lieber Mattis. Ein jeder lebe nach seiner Natur!«
Ich lache, gleichzeitig spüre ich bei diesen Worten einen Stich. Denn genau danach sehne ich mich schon so lange: nach meiner Natur leben zu dürfen statt sie ständig zu verbergen.
Ob ich das mit einer Mutter wie Nathalie gelernt hätte?
Ob sie meine Wahrnehmungen vielleicht sogar interessant fände, wo sie doch so auf Farben steht?
Oder ob das Credo »Ein jeder lebe nach seiner Natur« nur gilt, solange man sich im Bereich des Gesunden bewegt? Aber was ist gesund? Wieso bin ich eigentlich so sicher, dass mein innerer Monitor etwas Krankhaftes ist? Und wie kann ich das herausfinden, wenn ich nie mit irgendjemandem darüber spreche, verdammt?!
»So, hier ist mein Revier«, unterbricht Mattis meine davonjagenden Gedanken und lotst mich in einen weißen, ziemlich leeren Raum, in dem ich augenblicklich ruhiger werde.
Später, sage ich mir und atme tief durch. Später werde ich mich wieder mit Nathalie, mir selbst und diesen Fragen befassen, die so aufwühlend und zugleich verlockend in meinem Hinterkopf lauern. Erst einmal will ich ein bisschen mehr über Mattis erfahren. Und dafür ist sein Zimmer die perfekte Gelegenheit.
Neugierig schaue ich mich um. Sehe hohe Regale, in denen unzählige abgegriffene Bücher stehen. Gerahmte Poster von Segelschiffen auf hoher See. Einen Langbogen, der am Kleiderschrank lehnt. Holzpfeile in einem ledernen Köcher.
Mattis bleibt mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen und beobachtet mich. Ihm scheint klar zu sein, dass er in seinen eigenen vier Wänden mehr von sich preisgibt als irgendwo sonst, und mit einem Mal komme ich mir vor wie ein Eindringling. Aber ich möchte ihm beweisen, dass ich das nicht bin und dass ich sein Vertrauen verdiene. Also gehe ich zu ihm zurück und sage leise: »Ich will nicht alles unter die Lupe nehmen wie ein Detektiv. Zeig du es mir. Zeig mir das, was dir wichtig ist.«
Im
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