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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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müssen. »Ich könnte dich beim Bogenschießen fotografieren. Das würde mich reizen!«
    »Mich fotografieren?« Mattis runzelt die Stirn. »Hm. Ich weiß nicht.«
    »Damit hast du doch Erfahrung, oder?«
    »Wieso?«
    Ich komme ins Stottern. »Na ja, ähm, du bist doch Model.«
    Mattis starrt mich entgeistert an, dann bricht er in schallendes Gelächter aus. »Wie kommst du denn darauf?«
    Verlegen knete ich meine Hände. »Das wissen doch alle. Bernice und Walli haben es rumerzählt, und –«
    »Eine blühende Fantasie haben die beiden, kann ich da nur sagen.«
    »Und Nicola?«, frage ich schnell. »Modelt die auch nicht? Für H&M?«
    »Quatsch. Sie geht in meine ehemalige Parallelklasse, und wenn sie jobbt, dann im Café.«
    Ich komme mir dämlich vor. Gleichzeitig aber atme ich auf. Dass meine Vorgängerin ein ganz normales Mädchen ist, weder extrem schön noch einschüchternd prominent, beruhigt mich irgendwie. Es legt die Messlatte an mich selbst nicht ganz so hoch.
    »Du solltest nicht jeden Quatsch glauben, den du hörst«, sagt Mattis, von der Absurdität der Model-Gerüchte immer noch erheitert. »Also, was ist jetzt? Kommst du mit zum Bogenschießen? Ich würde mich wirklich freuen.«
    »Abgemacht.« Ich blinzele ihm zu. »Aber ich nehme die Kamera mit. Warum sollte ich Käfer fotografieren, wenn ich dich vors Objektiv kriegen kann?«
    Ich gehe zu ihm rüber und hoffe, dass er mich in den Arm nimmt, was er zu meinem Entzücken auch sofort tut.
    »Dann fotografier mich halt«, seufzt er an meinem Ohr. »Warum kann ich dir eigentlich nichts abschlagen?«
    »Weil du in mich verliebt bist?«, schlage ich mit klopfendem Herzen vor.
    Mattis lacht leise. »Das wäre eine Erklärung.«
    Und dann macht er sich daran, diese Erklärung mit warmen, süßen Lippen zu untermauern.

Fünfzehn
    Ich sitze am Fenster meines Zimmers und kaue an dem Bleistift herum, mit dem ich mich eben an einer stümperhaften Zeichnung von Mattis versucht habe. Nachdenklich schaue ich in den grauen Morgen hinaus, in dem noch die Reste des nächtlichen Regens hängen. Um zehn sind Mattis und ich verabredet, und ich kann es kaum erwarten, endlich loszugehen.
    Denn mein Zuhause erscheint mir enger denn je.
    Wenn wir abends mit der rosa Kerze am Tisch sitzen, Papa in ungemütlichem Schweigen sein Abendessen vertilgt und Mama mich über meinen Tag ausfragt, muss ich mich zusammenreißen, um nicht mitsamt meinem Teller nach oben zu flüchten. Am liebsten würde ich allein in meinem Zimmer essen, von Mattis träumen und Mamas Verhöre einfach vergessen.
    Zumal ihr anhaltender Argwohn völlig unbegründet ist: Weder hat Mattis sich gleich nach dem ersten Kuss auf mich gestürzt, um mich zu ungeschütztem Sex zu nötigen (was Mamas größte Sorge zu sein scheint), noch verteilt seine Künstler-Mutter am Mittagstisch eine Runde Drogen. Mattis spielt nicht mit meinen Gefühlen (das hoffe ich jedenfalls), und ich habe ihn auch nicht in unser peinliches Familiengeheimnis eingeweiht (wie auch, ich kriege ja selbst kaum was erzählt). Somit ist alles gut.
    Finde zumindest ich.
    Mama aber ist verletzt, weil ich fast die gesamten Pfingstferien bei Mattis verbringe. Mein eigenes Zuhause, sagt sie, sei schließlich kein Hotel. Was für ein ätzender Spruch! Auch wenn ich zugeben muss, dass er eine gewisse Berechtigung hat: Ich bin nur noch daheim, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.
    Viel lieber, als mich unter Mamas Vorwürfen zu winden, schwimme ich mit Mattis im Weiher. Fläze mich neben ihm auf unserer versteckten Wiese und schaue träumerisch in die Pappeln, die Schäfchenwolken, den weiten Himmel. Gehe mit zu den Bendings und lasse mich von Nathalie zum Mittagessen einladen. Sie kocht prima und ist so lustig, dass bei Tisch fast mehr gelacht als gegessen wird.
    Und dann ist da noch das Allerbeste: die tiefblauen Stunden in Mattis’ Zimmer. Mit meinem hinreißenden Freund auf seinem Bett zu liegen … In seinen Armen … An seinem Mund … Das ist so atemberaubend, dass ich umso hungriger nach Mattis werde, je näher wir uns kommen.
    Kurz: Ich bin glücklich mit Mattis, verbringe die Tage mit ihm wie in einem seligen Rausch, tauche, ohne zu zögern, vollkommen in seine Welt ein. Ist es da ein Wunder, dass ich keinen Bock habe, nach Hause zu kommen? Zu Mami, Papi und ihrer rosa Kerze?!
    Ich werfe den Bleistift in den Papierkorb und stütze das Kinn auf die Fäuste. Mamas waidwunder Blick macht mir zu schaffen, bereitet mir ein schlechtes

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