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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Zimmer verkrümele und meine Eltern ihren Streit – denn sie müssen sich gestritten haben, weshalb sollte Mama sonst weinen? – allein austragen lasse.
    Da wendet mein Vater den Kopf und sieht mich an, so ernst, dass mir der Atem stockt.
    »Geh bitte hoch, Schatz«, sagt er ohne Begrüßung und in einem Ton, der keine Widerrede duldet. »Ich komme gleich zu dir und erkläre es dir.«
    Mama schaut mich nicht an. Sie weint nur einfach immer weiter.
    Papa setzt hinzu: »Ich muss dir etwas sagen, Sophie.«
    Ich stehe da wie angewurzelt, bin plötzlich starr vor Angst. Er muss mir etwas sagen? Hat Papa eine Freundin? Was, wenn meine Eltern sich scheiden lassen? Verflucht, was sonst sollte er mir sagen müssen?
    »Sophie«, meint Papa streng. »Ich hatte dich gebeten hochzugehen!«
    Er behandelt mich wie ein ungehorsames Kleinkind, aber obwohl mich das sonst rasend macht, ist es mir jetzt total egal. Soll er mit mir reden, wie er will. Hauptsache, sie lassen sich nicht scheiden. Hauptsache, ich habe über meinen eigenen Problemen nicht völlig übersehen, dass die wahre Katastrophe in meinen eigenen vier Wänden stattfindet.
    Wie in Trance drehe ich mich um und stolpere die Treppe hoch. Gehe in mein Zimmer, lasse die Tür sperrangelweit offen und setze mich auf mein Bett. So, als könne es lediglich eine bis zwei Minuten dauern, bis Papa nachkommt und mir alles erklärt. Bis er mir sagt, dass ich mir überhaupt keine Sorgen zu machen brauche und sie sich niemals scheiden lassen werden. Sie sind meine Eltern , verdammt!
    Wie lange ich so dasitze, lausche, nichts höre außer Weinen und Murmeln und das rauschende Blut in meinen Ohren, weiß ich nicht. Irgendwann tritt Papa dann tatsächlich durch die Tür. Ich schaue ihn mit Tränen in den Augen an und platze heraus: »Trennt ihr euch? Ist es das, was du mir sagen musst?« Und dann fange ich an zu heulen.
    »Uns trennen? Wir?« Mit gerunzelter Stirn schaut Papa auf mich runter. »Natürlich nicht.«
    Er setzt sich neben mich aufs Bett und streicht mir über den Rücken, genau wie er Mama über den Rücken gestrichen hat. Zwei heulende Frauen an einem Abend – armer Papa. Ich muss unter Tränen grinsen, und dann heule ich gleich noch ein bisschen heftiger, einfach, weil ich so erleichtert bin, dass sie sich nicht scheiden lassen.
    Papa nimmt mich in den Arm. »Pschschsch, mein Mädchen, ist ja gut«, sagt er, wiegt mich hin und her, und ich lasse es mir gefallen. Ausnahmsweise.
    Als meine Tränen endlich versiegen und ich mich so weit beruhigt habe, dass ich mich für meinen Ausbruch schämen kann – das Pink hält sich allerdings in erträglichen, stachellosen Grenzen –, wische ich mir die tropfende Nase mit dem Handrücken ab und schniefe: »Warum hat Mama geweint?«
    Papa zieht ein Päckchen Taschentücher aus der Brusttasche seines Hemdes und reicht es mir. Ich putze mir trompetend die Nase, wische mir mit einem zweiten Tuch über das nasse, verquollene Gesicht, und dann schaue ich ihm in die Augen und erwarte seine Antwort.
    Papa seufzt. Er legt sich die Hand in den Nacken, knetet ihn, als sei er verspannt, und streicht sich dann ein paar Mal über die Glatze.
    Er schindet Zeit.
    »Papa!«, sage ich flehend.
    Da rückt er endlich damit heraus. Und wie immer, wenn mein Vater sich für etwas entschieden hat, zieht er es durch – ohne Zögern, ohne Schonung, weder für sich noch für andere. »Deiner Mutter geht es psychisch nicht gut«, erklärt Papa mit fester Stimme.
    Psychisch? Meiner Mutter? Aber … der labile Part der Familie, das bin doch ich?
    »Ich bin ja kein Psychologe, aber mir scheint, sie leidet darunter, dass du dich abnabelst, Sophie«, fährt mein Vater fort. Er sagt es so sachlich, als referiere er über die Schadenssumme eines seiner Fälle bei der Versicherung. »Dafür kannst du nichts, du musst ja selbstständig werden. Mir ist das natürlich klar, aber ich bin da auch rationaler. Deine Mutter hingegen schleppt, wie du weißt, eine sehr belastende Erinnerung mit sich herum, und offensichtlich macht ihr das nach all den Jahren immer noch zu schaffen. Ich dachte eigentlich, die alte Geschichte sei für sie abgeschlossen, schließlich war sie noch ein Kind, als … es passiert ist. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Gerade ist es so schlimm wie seit Langem nicht mehr.«
    Er hält inne, fragt sich wohl, wie viel er mir überhaupt erzählen darf.
    Verwirrt hake ich ein: »Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Ich werde erwachsen, okay –

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