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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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hoch schätzte, sondern weil die Regierung es für eine gute Idee gehalten hatte, de Gaulle, der sich in der letzten Zeit etwas zugeknöpft gezeigt hatte, ein wenig zu umschmeicheln, indem sie seinem Botschafter Sonderehren erwies und ihn und sein Gefolge schon in der Quarantäne ausschiffte.
    Der Marquis, sein Gepäck und alle, die mit ihm waren, fuhren in den New Yorker Hafen, wo eine weitere Ehrengarde und eine Kolonne von Cadillacs sie an der Battery erwartete.
    Von da ging es durch die Schlucht des unteren Broadway, wo ein kleiner Konfettiregen sie begrüßte und Stücke von zerrissenen Telefonbüchern und Girlanden aus mit Zahlen bedeckten Papierstreifen, die Amerikas Reichtum bezeugten, auf Henrys Kopf herniederschwebten. Die Kavalkade überquerte die Queensborobrücke und erreichte schließlich den Flughafen Idlewild, wo das Privatflugzeug des Präsidenten, die «Colombine», sie erwartete, in dem der Marquis und sein Gefolge — mit Ausnahme von Bayswater, der zurückblieb, um den Rolls-Royce nach Washington zu bringen — nach Washington flogen.
    Auch der kleine Henry flog mit. Er hatte noch nie etwas so Wunderbares erlebt. Und das war immerhin ein Trost.
    Der kleine Henry war verschwunden, aber er war gewiß nicht vergessen, denn die Abendzeitungen und die am nächsten Morgen erscheinenden berichteten ausführlich über die Ankunft des neuen französischen Botschafters und seines Enkels und ergänzten diese Berichte mit Bildern von diesem in den verschiedensten Posen, zu denen ihn die alten erfahrenen Pressefotografen verleitet hatten — wie er seinen Großvater umarmte, seinen Großvater küßte, auf seines Großvaters Schoß saß oder feierlich mit seinen großen, rührenden Augen direkt in die Kamera blickte.
    Die strenge «Times» widmete Henrys Anwesenheit nur eine einzige Zeile, in der es hieß, daß der Marquis von seinem Enkel, dem Honorable Henry Dartington, jüngerem Sohn von Lord Dartington of Stowe, begleitet sei, aber die anderen Zeitungen, vor allem jene, für die weibliche Reporter schreiben, schmückten die Geschichte etwas aus. «Der schöne weißhaarige, noch sehr kraftvoll wirkende französische Botschafter, für den auf der Reise mehrere Frauenherzen heftig geschlagen haben, brachte seinen kleinen Enkel mit, Lord Henry Dartington, der mit der Königin von England verwandt ist.»
    «Lord Dartington, der, wie es heißt, eine Zierde von Eton ist, verbringt seine Ferien hier und sagt: Worauf er sich am meisten in Amerika freue, sei, ein Baseballspiel zu sehen. Und er wird heute nachmittag im Yankeestadion dem Yankee-Red-Sox-Spiel beiwohnen.» In der Wohnung in der Park Avenue Nr. 650 betrachtete Mrs. Schreiber (und in der Küche Mrs. Harris und Mrs. Butterfield) all diese Fotos und las die Unterschriften mit baß erstaunten Augen. «Mein Gott», sagte sie, «so jung und schon ein echter Lord! Und es heißt, er sei ein Verwandter der Queen. Und wir waren auf dem gleichen Schiff! Was für ein reizend aussehender kleiner Junge! Und was für schöne Augen er hat! Er ist wirklich ein kleiner Gentleman. Auf den ersten Blick sieht man, daß er ein Aristokrat ist. Wenn die Familie gut ist, ist alles gut.» Ihre Augen begegneten denen ihres Mannes, und sie blickten sich einen Moment stumm an, und jeder wußte, was der andere dachte.
    Dann sagte Mr. Schreiber plötzlich: «Ich kann mich nicht erinnern, ihn auf dem Schiff gesehen zu haben. Das ist ein gutes Bild von dir, Henrietta — aber ich sehe wie mein eigener Großvater aus.» Sie waren nämlich ebenfalls beide von der Presse fotografiert worden, und ihre Bilder erschienen unter denen der auf der «Ville de Paris» eingetroffenen Prominenten.
    Und in der riesigen Küche, umgeben von den Zeitungen, von (deren Titelseiten sie der zum Lord beförderte kleine Henry anblickte, sagte Mrs. Butterfield mit zitternder Stimme: «Was wirst du jetzt tun? Ich hab dir ja gesagt, es wird etwas passieren.»
    Diesmal wußte Mrs. Harris das selber nicht. «Ich habe keine Ahnung, Vi», erwiderte sie. «Und ich will dir auch gleich sagen, ich habe vergessen, Mr. Bayswater unsere Adresse zu geben.»

13

    New York 21, N. Y., Park Avenue 650
    15.April
    Lieber Marquis,
    ich hoffe, dieser Brief erreicht Sie. Ich habe leider vergessen, Mr. Bayswater unsere

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