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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Staub gemacht. Ich kenne eine Menge solcher Burschen.»
    Mrs. Harris verteidigte den Vater des kleinen Henry energisch, aber der Ausrufer blieb skeptisch. «Hören Sie auf meinen Rat, Madam», sagte er, «und trauen Sie keinem GI. Ich kenne sie.» Mr. Brown war zwar nie in England gewesen, aber seine Großmutter stammte dorther, und das bildete ein Band zwischen Mrs. Harris und ihm.
    «Würden Sie die Mädchen gern kennenlernen? Sie sind wirklich reizend. Aber erst gehen Sie mal hinein, und sehen Sie sich die Vorführung an.»
    Mrs. Harris verbrachte eine angenehme halbe Stunde in der Bude, in der Mr. Browns Mädchen die wildesten und verwegensten Hula-Hula-Tänze vorführten. Danach wurde sie ihnen vorgestellt und fand, daß sie, wie Mr. Brown gesagt hatte, reizend und gutmütig waren, sich nicht mit ihrer Kunst aufspielten und nicht so ordinäre Worte gebrauchten wie viele der Berühmtheiten, die zu Schreibers Parties kamen. Sie kehrte nach einem interessanten Abend nach Hause zurück, aber in der Suche nach dem Mann war sie keinen Schritt weitergekommen, obwohl der Ausrufer ihr versprochen hatte, nach ihm Ausschau zu halten.
    Sie lernte viele Teile von Brooklyn heben, in die sie ihre Suche führte, denn die älteren und stillen Straßen dieses Stadtteils am anderen Ufer des East River, wo die Backsteinhäuser dicht nebeneinander stehen und hier und dort von Bäumen beschattet werden, erinnerten sie an das London drüben jenseits des Ozeans.
    Ein George Brown, den sie aufsuchte, handelte mit Schiffszubehör und wohnte über seinem Laden an der Wasserfront der Lower East Side. Auch hier war sie wieder ein winziges Staubkorn in den großen Schluchten der Wolkenkratzer. Aber als sie auf dem Kopfsteinpflaster an den Docks stand, wo es nach Teer und Gewürzen roch, erblickte sie die riesigen Bogen der herrlichen spinnwebartigen Gerüste der Manhattan- und der Williamsbrücke, über die elektrische Züge und ein Strom von Autos aller Art mit solchem Lärm dahinbrausten, daß es ihr war, als ob es die Stimmen der gewaltigen Brücken selber seien, die zu ihr herunterriefen.
    Unter den auf Staten Island wohnenden George Browns war einer Kapitän des von zwei Dieselmotoren angetriebenen Schleppers «Siobhan O’Ryan», der der Joseph P. O’Ryan Schiffahrtsgesellschaft gehörte. Als Mrs. Harris zu ihm kam, war er gerade im Begriff, an Bord zu gehen.
    Kapitän Brown war ein netter, muskulöser Mann in den Vierzigern, hatte eine sympathische Frau, die halb so groß war wie er, und bewohnte eine hübsche Wohnung in Sankt George unweit der Landestelle des Fährboots. Sie waren sich schon einmal ganz nahe gewesen, denn die «Siobhan O’Ryan» war einer der Schlepper, der die «Ville de Paris» am Tage von Mrs. Harris’ Ankunft in den New Yorker Hafen gezogen hatten, und der scharfäugigen kleinen Putzfrau war der auf das Steuerhaus des Schleppers gemalte ungewöhnliche Name aufgefallen, und sie hatte ihn nicht vergessen.
    Auch diese Browns bewegte die Geschichte von dem verlassenen Jungen und Mrs. Harris’ Suche nach seinem Vater tief. Die Folge davon war, daß der Kapitän Brown Mrs. Harris zu einer Fahrt auf seinem Schlepper rings um die Manhattan-Insel einlud. Sie nahm die Einladung begeistert an, und so fuhr sie unter den großen East-River-Brücken hindurch, an den gläsernen Gebäuden der Vereinten Nationen vorüber, bestaunte die Triborough-Brücke mit ihren drei Bogen. Dann ging es weiter in den Hudson hinein, an Jersey entlang, unter der George-Washington-Brücke hindurch, wobei sie das durch nichts zu übertreffende Panorama der dicht nebeneinander aufragenden Wolkenkratzer sah, eine so gewaltige Steinmasse, daß es Mrs. Harris die Stimme verschlug und sie nur flüstern konnte: «Selbst wenn man es vor sich sieht, glaubt man, es sei ein Märchen.»
    Dies war ein Festtag ihres Amerikaaufenthaltes, aber natürlich war es auch diesmal nicht der richtige Mr. Brown.
    Es gab einen George Brown am Washington Square, der Maler war, einen anderen im Konfektionsviertel der 7. Avenue, der sich auf elegante Kleider für stärkere Damen spezialisiert hatte. Einer in Yorkville besaß ein Delikatessengeschäft und wollte durchaus, daß Mrs. Harris gratis seine Mixed Pickles versuche. Einem weiteren gehörte ein Haus am vornehmen Gracey Square. Es war ein alter Mann, der sie ein wenig an den Marquis erinnerte und der, als er ihre Geschichte gehört hatte, sie zum Tee einlud. Er war ein amerikanischer Gentleman der alten Schule, der

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