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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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leisten. Wenn man ihm die Chance gab — diese Sorge blieb, denn das Ende ihrer Suche war immer noch nicht abzusehen. Keiner der George Browns war der richtige oder konnte ihr auch nur einen Hinweis geben, wo oder wie sie ihn finden könnte.
    Doch eines Tages geschah es, aber nicht sie entdeckte ihn, sondern kein anderer als Mr. Schreiber. Als er eines Abends nach Hause kam, rief er sie in sein Arbeitszimmer. Seine Frau war schon dort, und sie wirkten beide sonderbar beklommen. Mr. Schreiber räusperte sich mehrmals, und dann sagte er: «Setzen Sie sich, bitte, Mrs. Harris.» Er räusperte sich noch einmal stärker und fügte hinzu: «Nun, ich glaube, wir haben Ihren Mann.»

19

    Als Mrs. Harris so plötzlich diese dennoch nicht ganz unerwartete Nachricht vernahm, sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf und rief: «Sie haben ihn? Wer ist es? Wo ist er?»
    Aber ihre Erregung und Begeisterung fand bei den beiden Schreibers keinerlei Echo. Sie lächelten nicht einmal. «Setzen Sie sich lieber wieder, Mrs. Harris», sagte Mr. Schreiber. «Es ist eine komische Geschichte. Halten Sie sich fest!»
    Etwas von der gedrückten Stimmung ihrer Arbeitgeber ging jetzt auf die kleine Putzfrau über. Sie starrte sie ängstlich an und fragte: «Was ist denn? Ist es etwas Furchtbares? Ist er im Gefängnis?»
    Mr. Schreiber spielte mit einem Brieföffner und blickte auf einige Papiere auf seinem Schreibtisch hinunter, und als Mrs. Harris seinem Blick folgte, sah sie einen Briefbogen der US-Luftwaffe, genau wie den, den sie bekommen hatte, und dazu eine Fotokopie. Dann sagte Mr. Schreiber freundlich: «Ich glaube, es ist besser, ich sage es Ihnen... Ach, ich fürchte, es ist jemand, den wir kennen — es ist Kentucky Claiborne.»
    Mrs. Harris war wie vor den Kopf geschlagen. Sie wiederholte nur: «Kentucky Claiborne ist des kleinen Henry Vater.» Und dann, als ihr die ganze Bedeutung bewußt wurde, schrie sie auf: «Oh! Was sagen Sie da? Er ist Henrys Vater? Das kann nicht wahr sein.»
    Mr. Schreiber sah sie ernst an und sagte: «Es tut mir leid. Ich finde es ebenso schrecklich wie Sie. Er ist nichts als ein alberner Affe. Er wird dieses prächtige Kind zugrunde richten.»
    Entsetzen packte Mrs. Harris bei dem Gedanken, daß der Junge, der nach all dem Schrecklichen, das er hatte erleiden müssen, gerade aufzuleben begann, in die Hände eines solchen Menschen fiel. «Aber sind Sie dessen wirklich sicher?» fragte sie.
    Mr. Schreiber schlug mit der Hand auf die vor ihm liegenden Papiere und erwiderte: «Es steht alles in dieser Luftwaffenakte — Pansy Cott, der kleine Henry und alles andere.»
    «Aber wie haben Sie es herausbekommen? Wer hat es entdeckt?» rief Mrs. Harris, die immer noch hoffte, daß das alles ein Irrtum sei.
    «Ich habe es entdeckt», antwortete Mr. Schreiber. «Ich hätte Detektiv werden sollen, ich habe es immer gesagt, so einer wie Sherlock Holmes. Ich habe eine Nase für solche Sachen. Ich kam dahinter, als er seinen Vertrag unterschrieb.»
    «Es war wirklich ein Meisterstück von Joel», fiel Mrs. Schreiber ein. Aber dann wurde ihr Mitgefühl wach, und sie sagte: «Ach, arme liebe Mrs. Harris, und das arme reizende Kind — es tut mir so leid.»
    «Aber ich verstehe nicht», sagte Mrs. Harris, «was hat das mit seinem Vertrag zu tun?»
    «Er hat ihn mit seinem richtigen Namen, George Brown, unterzeichnet», erwiderte Mr. Schreiber. «Kentucky Claiborne ist nur sein Bühnenname.»
    Und darauf erzählte er die ganze Geschichte, und dabei stellte sich heraus, daß er sich wirklich so geistesgegenwärtig und klug verhalten hatte, wie es einem gelernten Detektiv zur Ehre gereicht hätte. Als die letzten Punkte des Vertrages festgelegt waren und Kentucky Claiborne, sein Agent, Mr. Hyman, und die Bataillone von Anwälten beider Parteien sich zur Unterzeichnung des wichtigen Vertrages versammelt hatten, überflog Mr. Schreiber ihn mit seinen kundigen Augen noch einmal, sah den mit Schreibmaschine getippten Namen George Brown und fragte: «Was ist das für ein George Brown?» «Das ist Kentuckys bürgerlicher Name», entgegnete Mr. Hyman. «Die Anwälte sagen alle, er soll mit seinem bürgerlichen Namen unterschreiben, für den Fall, daß später Schwierigkeiten auftauchen könnten.»
    Mr. Schreiber sagte, er habe ein merkwürdiges Gefühl im Magen gespürt — nicht, weil er auch nur einen Augenblick wirklich geglaubt habe, Claiborne könne möglicherweise der verschollene Vater sein. Ihm sei allein bei dem

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