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Der Gewinner Geht Leer Aus

Der Gewinner Geht Leer Aus

Titel: Der Gewinner Geht Leer Aus
Autoren: Richard Stark
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»Warte hier«, sagte Parker. Er ging zurück zu der Einfahrt des dunklen, stillen Nachbarhauses, bog ein und kroch durch das Gebüsch zwischen den beiden Grundstücken zu dem Haus mit den Lichtern.
    Es gab keine Garage. Die kiesbestreute Zufahrt endete neben dem Haus. Dort stand ein alter Volvo Kombi. Eine mit kleinen Fenstern versehene Seitentür führte in eine Küche, wie er im Widerschein des in den Korridor fallenden Lampenlichts erkannte.
    Lautlos bewegte er sich zur Vorderseite und daran entlang, bis er an das erste beleuchtete Fenster kam. Er spähte hindurch und erkannte erst die Tür zur Diele, dann die Seitenwand mit einem niedrigen Sofa unter einigen scherzhaften Bildern zum Thema Fischen, dann die gegenüberliegendeWand mit Fenstern zum See und schließlich, unweit des Fensters, durch das er spähte, eine Stehlampe mit gelbem Schirm und daneben, in einem rotkarierten Sessel mit hölzernen Armlehnen, einen Mann, der in einem Buch las.
    Parker sah ihn von schräg hinten: ein faltiges, knochiges Gesicht, Brille mit silbernem Rahmen, beinahe kahler Kopf mit einem dünnen Kranz weißer Haare, ein blasses, abstehendes Ohr, eine ausgeprägte Kinnlinie und ein rot-schwarzes Flanellhemd. Die Hände, die das leinengebundene Buch hielten, waren kräftig und knotig.
    Es war sonst niemand im Raum. Nichts deutete darauf hin, dass noch jemand anders im Haus war. Parker trat von dem Lichtschein zurück, lauschte in die Nacht und hörte nichts Ungewöhnliches. Er ging an den erleuchteten Fenstern vorbei zur Haustür, klopfte und zog die Pistole hervor.
    Als der Mann öffnete, sah Parker, dass er mindestens in den Siebzigern war, groß, aber gebeugt, und dünner, als er die längste Zeit seines Lebens gewesen war. Er blickte Parker mit freundlicher Neugier an, überrascht über einen Besuch zu dieser späten Stunde, doch dann bemerkte er die Pistole, die weder auf ihn noch auf irgend etwas Bestimmtes zielte, fuhr zusammen, machte einen Schritt zurück und sagte: »Großer Gott!« Dann richtete er den Blick blinzelnd wieder auf Parker, erkannte, dass er nicht direkt bedroht wurde, und sagte: »Ich schätze, Sie wollen reinkommen.«
    Parker blieb vor der Schwelle stehen und sagte: »Wer ist sonst noch hier?«
    »Meine Frau«, sagte der Mann und nickte in Richtung des anderen Endes des Hauses. »Sie schläft.«
    Parker drehte sich um und rief halblaut: »Lloyd.« Dann trat er ins Haus und sagte zu dem Mann: »Lassen Sie die Tür offen.«
    »Was immer Sie sagen.«
    Parker ging ins Wohnzimmer, sah nirgends eine Waffe und stellte fest, dass das jetzt geschlossene und mit einem Lesezeichen versehene Buch auf dem Sessel lag, auf dem der Mann zuvor gesessen hatte. Auf der anderen Seite des Raums, neben der Küchentür und gegenüber dem Sofa, stand ein Fernseher, und auf dem Fernseher waren zwei Kästen, der eine für den Kabelempfang, der zweite für etwas anderes. Von dem Sessel aus, auf dem der Mann gesessen hatte, konnte man den Bildschirm gut sehen.
    Lloyd kam herein und sah den alten Mann neugierig an. »Was läuft?«
    »Mach die Tür zu«, sagte Parker. »Er sagt, seine Frau ist hier und schläft, und sonst ist niemand da. Weck sie.«
    »Lieber nicht«, sagte der Mann. Er sagte es ganz ruhig, weder ängstlich noch streitlustig.
    Parker sah ihn an und wartete.
    »Sie hat Diabetes, unter anderem«, sagte der Mann. »Sie braucht einen geregelten Tagesablauf.«
    »Dann passt sie tagsüber auf und Sie bei Nacht, stimmt’s?«
    Der Mann lächelte in sich hinein und schüttelte den Kopf. »Aber natürlich – Sie sind das«, sagte er. »Ja, so machen wir’s. Aber Sie können sie da rauslassen.«
    »Das glaube ich nicht.« Parker drehte sich zu Lloyd um und zeigte auf den zweiten Kasten auf dem Fernseher. »Ist es das?«
    »Müsste es sein«, sagte Lloyd. Er ging hin und musterte den Kasten, ohne ihn zu berühren. »Ja, das ist es.«
    Parker wandte sich wieder an den Mann. »Wollen Sie Ihre Frau lieber selbst wecken? Lloyd wird mitgehen.«
    »Es ist wirklich nicht nötig«, sagte der Mann. »Ich werdeIhnen sagen, was ich weiß, und sie weiß noch weniger als ich. Ich werde Ihnen Auskunft geben, aber dafür müssen Sie mir ein bisschen entgegenkommen. Meine Frau hat einen tiefen Schlaf – sie wird gar nicht wissen, dass Sie hier waren.«
    Parker dachte nach. Es war besser, wenn der Mann ruhig blieb und redete. Er sagte: »Ist im Schlafzimmer ein Telefon?«
    »Ja.«
    Zu Lloyd sagte Parker: »Hol es. Wenn sie aufwacht, bring sie
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