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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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wollte das Heulen und Knattern kein Ende nehmen. Ich hatte große Zweifel, und ich wußte, daß sich in unserem Zelt einige fragten: ›Werden wir starten oder nicht?‹ Ich glaube nicht, daß es klug war, nach einem Unwetter loszugehen, weil dies kein gutes Zeichen ist.«
    In einem anderen Zelt von Lager IV wurden ähnliche Überlegungen ausgetauscht. Lou Kasischke, dreiundfünfzig, Anwalt aus Bloomfield Hills, Michigan, und Teilnehmer an Rob Halls Expedition, teilte sich die Unterkunft mit drei anderen: Andy Harris, Beck Weathers und Doug Hansen. Alle bis auf den Bergführer Andy Harris waren der Meinung, daß ein Gipfelvorstoß am nächsten Tag keine gute Idee sei.
    Kasischke erinnerte sich: »Im Hochlager tobte ein Sturm, und ich weiß noch, wie wir in unserem Zelt debattierten. Es stand drei zu eins, daß wir warten sollten. Da zu befürchten war, daß das Wetter keinen ganzen Tag halten würde, daß wir also keine vollen vierundzwanzig Stunden haben würden, hielten wir es für klüger, einen Tag zu warten. Ich meinte, wenn es in vierundzwanzig Stunden noch immer so stürmen würde, wäre der Abstieg problematisch.« Zwei Zelte, zwei verschiedene Expeditionen, acht Bergsteiger. Sechs stimmten dagegen.
    Boukreev wußte, daß die Entscheidung nicht bei ihm, sondern bei Fischer lag, und wenn dieser sich für den Aufstieg entschied, hieß es ausgeruht sein. Da er sich und die anderen aufwärmen wollte, kramten er und Martin Adams nach einem Gefäß, in dem sich auf dem Kocher Wasser schmelzen ließ. Es fand sich keines. »Wieder so eine Pleite«, sagte Adams »aber ich hatte mich schon abgefunden, daß alles schiefging, und war entschlossen, das Beste daraus zu machen und mich nicht zu sehr aus dem Konzept bringen zu lassen.«
    Zum Glück brachten die Sherpas trotz des tobenden Sturms heißen Tee. Doch kann sich Adams nicht erinnern, daß es etwas zu essen gegeben hätte. »Lene hatte gute Sachen dabei, aber uns fehlte ein Kochtopf.«
    Nach dem heißen Tee hielt ich es am vernünftigsten, die Wartezeit mit Schlafen zu verbringen. Ich verkroch mich in meinen Schlafsack und schlief auch sofort ein.
    Während Boukreev schlief, versuchten Lene Gammelgaard und Martin Adams seinem Beispiel zu folgen, doch daraus wurde nichts. Klev Schoening drohte damit, das Zelt zu ver lassen und draußen im Sturm zu nächtigen. »Als wir einzuschlafen versuchten, fing Klev, der wohl an Höhenkrankheit litt, zu schreien an«, erinnerte sich Adams. »Er verlangte, wir sollten zusammenrücken. Das war ein wenig merkwürdig, da Lene, Toli und ich uns in der einen Hälfte des Zeltes drängten, während Klev mit dem Gepäck die andere für sich hatte.« Lene und Martin schmunzelten und tauschten vielsagende Blicke, reagierten aber nicht weiter, da »Klev ein netter Kerl ist«, wie Adams sagte. »Wir faßten es nicht persönlich auf. Er meinte es nicht so, es war einfach die Höhe.« Schoening hatte eine unruhige, schlaflose Nacht. Boukreev schlief ganz fest. Als er gegen zweiundzwanzig Uhr aufwachte vermißte er etwas. Das Sturmgeheul war verstummt.

    Die Zeltplane knatterte nicht mehr, es war völlig windstill. Die einzigen Geräusche stammten von den Sherpas, die die Kocher anmachten, schwatzten und mit Geräten hantierten. Ich wußte, daß der Gipfelsturm bevorstand, und mir war gar nicht danach zumute. Aus irgendeinem Grund war meine innere Stimme verstummt, und ich erlebte auch nicht das übliche Hoch vor dem Aufstieg, wenn jeder Muskel angespannt auf den Einsatz wartet.

    In Fischers Zelt wurde es um zweiundzwanzig Uhr lebendig, wie sich Beidleman erinnert. »Es war Punkt zehn, als ich die ersten Sherpas rumoren hörte, und eine Viertelstunde später kam die erste Teekanne. Die nächsten eineinviertel Stunden brachten wir damit zu, uns fertig zu machen, und gegen halb zwölf krochen wir aus dem Zelt.«
    Als alle aus den Zelten hervorkamen und zum Nachthimmel emporblickten, präsentierte er sich ihnen als umgedrehte Schüssel, lackschwarz, mit Sternen übersät. Das Toben des Sturms war zu einem Wispern herabgesunken. »Es war, als würde der Berg uns zuwinken und lockend rufen: ›Kommt, kommt‹«, sagte Boukreev. Im hellen Mondlicht sahen Bou kreev und Beidleman, daß alle ihre Steigeisen angeschnallt hatten. Es folgte eine allgemeine Kontrolle von Kondition und Ausrüstung. Fischer teilte Sauerstoff aus, und Adams weiß noch, daß Boukreev ihm zwei Flaschen gab und ihm riet, den Druck vorsorglich zu überprüfen, um nicht eine nur

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