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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Goliath. »Bist Du toll, Herr, daß Du Dein Fleisch zerreißen und Deine Knochen zermalmen lassen willst von der fürchterlichen Katze, die mehr Kraft hat als zehn Scheidans, als hundert Teufel zusammen genommen?«
    »Hat Mahmud el kebihr Angst und Furcht im Herzen?« frug ich ihn.
    »Ich? Sihdi, wenn mich ein Anderer so fragte, so würde ich ihn auf der Stelle erwürgen. Mahmud Ben Mustafa Jussuf Jaakub Ebn Baschar hat niemals Angst und Furcht, das weißt Du ganz genau; aber er ist nicht jung und auch nicht fett genug; der Löwe mag ihn gar nicht fressen!«
    »Er soll Dich auch nicht fressen: Du bleibst bei den Pferden!«
    Niemand war froher über diesen Befehl, als er; um auch mich abzuhalten, erging er sich in der kräftigsten Schilderung der Gefahr, welche mich erwartete. Es half ihm Nichts; ich zog meine Doppelbüchse hervor. Es war ein »Bärentödter«, gekauft in Front-Street, St. Louis; sie hatte mich niemals im Stiche gelassen, und jede der aus ihr geschossenen konischen Kugeln war ihrer Schuldigkeit nachgekommen. Ich wußte, daß sie mir nicht versagen würde und das war die Hauptsache.
    »Hamdulillah, Preis sei Gott,« meinte der Alte mit frohem Gesichte. »Allah ist barmherzig und gnädig; er hat Dich zu uns gesendet und wird Deine Waffe segnen!«
    Er hatte mich als einen Europäer erkannt. Der Morgenländer hält jeden Franken, der ein Gewehr trägt, für einen ausgezeichneten Schützen und hat Respect vor ihm, denn er weiß, daß der Franke den Muth besitzt, jedem wilden Thiere ganz allein entgegen zu treten.
    Nachdem ich zu meiner Erquickung nach dem angestrengten Ritte einen Schluck Wasser aus dem dargereichten Schlauche genommen hatte, ließ ich mir den Ort bezeichnen, an welchem die Seinen zu finden seien. Vom See aus zog sich eine immer breiter werdende Vertiefung den Hügel hinan; es war eines jener Thäler, welche, Wadi genannt, sich bei den seltenen, dann aber desto stärkeren Regengüssen plötzlich mit Wasser füllen, sonst aber ausgetrocknet und nur an ihren Rändern mit einem dürftigen Pflanzenwuchse bestanden sind.
    »Ganz oben in diesem ›battn el hadjar in diesem Bauch der Steine‹ hat der ›Herr mit dem dicken Kopfe‹ sein Lager,« flüsterte der Alte, auf die mit Steingerölle besäete Schlucht deutend. »Er wird bald hervortreten, denn die Sonne geht zur Rüste, und dann soll er in die Tschehenna, in die Hölle gehen! Lauf schnell. Du bist berühmt unter den Söhnen der Jagd und wirst ihn tödten!«
    Es war spaßhaft, mit welcher Schmeichelei er es zu bewerkstelligen suchte, daß der Löwe mich statt einen der in das Dorf Gehörigen verspeisen möchte. Ich gab Mahmud dem Großen noch einige kurze Verhaltungsmaßregeln und ging dann fort.
    Hatte der Löwe sein Lager wirklich in der Schlucht, so befand es sich jedenfalls in dem oberen Theile derselben. Um diesen so bald wie möglich zu erreichen, vermied ich die Windungen, welche sie machte, und schritt von den Zelten aus gleich direct nach der Richtung, in welcher ich das Ziel vermuthete.

    Ich hatte richtig gerechnet, denn kaum befand ich mich in der Nähe des oberen Wadi, so vernahm ich einen ganz entsetzlichen Lärm, welcher aus der Tiefe scholl. Rasch eilte ich dem vor mir liegenden Rande zu und konnte dann die Situation vollständig überblicken.
    Grad mir gegenüber zog sich ein stacheliges Mimosengebüsch die steile Böschung hinan, welches von den schreienden Arabern vollständig umzingelt war. Es mußte den Löwen verbergen, denn die oberhalb des Gestrüppes Befindlichen rollten große Steine in dasselbe, um das Thier herauszutreiben. Ich empfing einen eigenthümlichen Eindruck von dieser untaktischen Art und Weise, ein Wild zu jagen, welches sich am Besten des Nachts, Auge in Auge und ohne allen Lärm erlegen läßt. Die Männer schwangen die Flinten und Messer, tanzten dabei vor Aufregung und suchten sich durch kreischende Zurufe zu ermuthigen.
    Da bemerkte ich eine leise Bewegung inmitten des Gebüsches; sie wurde stärker, und in wenigen Augenblicken trat er hervor, nicht schnell, nicht nach Katzenart springend und schnellend, sondern langsam, mit sicheren, majestätischen Schritten. Die reiche, dunkle Mähne hing ihm wirr um Kopf und Vorderleib; den starkbequasteten Schwanz zog er langgestreckt hinter sich her; es war ein wirklich prachtvoller Anblick, das edle Thier so selbstbewußt und ruhig inmitten der schnell auf seinen Leib gerichteten Gewehre stehen zu sehen, und es wollte mir wirklich scheinen, als bemerke

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