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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich ein verächtliches Funkeln der großen rollenden Augen.
    Da blitzte es aus allen Läufen auf; die Schüsse, krachten. Mich packte die Jagdlust, und mehr gleitend als steigend fuhr ich in die Tiefe hinab. Man bemerkte mein Kommen gar nicht. Der Löwe war von mehreren Kugeln, aber nur leicht getroffen worden und mit zwei weiten Sätzen auf den nächststehenden seiner Feinde losgesprungen. Er hatte diesen niedergerissen, ihm die beiden Vordertatzen auf die Brust gesetzt und hob nun den Kopf zu einem Brüllen, wie man es niemals in einer Menagerie, sondern nur aus der Kehle des wirklich freien Thieres zu hören vermag. Im nächsten Momente mußte der Mann zerrissen sein.
    Ich bekümmerte mich nicht um die Andern, welche theils entflohen waren oder mit leeren Flinten und vor Schreck bewegungslos dastanden, sondern eilte grad auf den Löwen zu. Dieser bemerkte mich und trat, ein Umstand, welcher nur außerordentlich selten vorzukommen pflegt, von seinem Opfer zurück. Ich knieete nieder und legte an. Es war nicht Furcht und nicht Angst, was ich empfand; es gibt keine Bezeichnung für das Gefühl, welches in diesem Augenblicke jede Faser in mir anspannte. Die rollenden Augen glühten mir vernichtend entgegen, der Schwanz krümmte sich verrätherisch; die kraftvollen Pranken zogen sich zum Sprunge zusammen; ein kurzes Zucken ging über den sich niederduckenden Leib. Ich drückte los, und der zweite Schuß traf das Thier, als es schon in der Luft schwebte.
    Zurückspringend riß ich das Messer aus der Scheide. Der Löwe war mitten im Sprunge gestürzt, wälzte sich zuckend noch einige Male hin und her und hatte dann verendet.
    »Hamdulillah, Allah akbar, Preis sei Gott, der Herr ist groß!« erscholl es aus allen Kehlen. »Hasa nessieb, das hat Gott geschickt, der kelb, der Hund, der Sohn von einem Hunde, der Enkel von einem Hundesohne ist todt; er ist schmachvoll gefallen, gestürzt und gestorben ohne Ruhm und Ehre. El Thibb, der Schakal und el Tabäa, die Hyäne mag ihn fressen, el Büdj, der gewaltige Bartgeier mag ihm das feige Herz zerhacken, und el Rhassahl, die Gazelle mag ihn und seine Väter verschimpfen, ihn, der ohne Blut und Kampf und Gegenwehr aus dem Lande der Lebendigen gegangen ist. Holt die Hariri, die Musikanten herbei; sie werden ihm auf der Rababa seine Schmach vorpfeifen!«
    So klang es jubelnd und verhöhnend von allen Seiten. Man trat den todten Körper mit Füßen, man schlug ihn mit den Fäusten, stieß ihn mit den Kolben und spieh ihm verächtlich in das Gesicht. Die Spannung hatte mich verlassen; es war mir, als sei ich einer unvermeidlichen Todesgefahr entgangen oder aus einer langen, langen Gefangenschaft befreit, und tief athmend sah ich dem Treiben der sanguinischen Söhne einer gluthüberflutheten Länderstrecke zu.
    »Ama die bacht, welch ein Glück, daß Du zur rechten Zeit gekommen bist!« klang es da neben mir.
    Es war Derjenige, welcher unter dem Löwen gelegen hatte. Von langer, hagerer aber sehniger Figur, besaß er ein Gesicht, welches von der Sonne fast schwarz gebrannt war. Seine großen, scharfen, dunklen Augen hatten ein eigenthümliches Licht. Ein zorniger Blick aus ihnen konnte auch einen beherzten Mann aus dem inneren Gleichgewichte bringen; das war ihnen leicht anzumerken.
    »Nicht ich, sondern Allah hat es gethan,« antwortete ich. »Ihm allein die Ehre!«
    »Ja, ihm die Ehre und Dir den Dank!« berichtigte er, indem sein Auge scharf und forschend über mich glitt. »Du bist rhaschihm, fremd unter den Kindern der Wüste?«
    »Ich komme aus Frankhistan, um Assad-Bei, den Heerdenwürger zu tödten.«
    »Du hast ihn getödtet; Allah gab Dir Heil und Gnade. Sei mein Gast. Ich bin der Bei el Urdi, der Herr des Lagers, welches da unten am Wasser steht; Du hast mir das Leben gerettet und sollst Gnade und Vergeltung finden.«
    Ich sah ihm bei diesen räthselhaften Worten erstaunt in das Gesicht. Er bemerkte es.
    »Die Haut des ›Herrn mit dem dicken Kopfe‹ ist Dein Eigenthum; Du wirst sie erhalten. Laß diese Männer hier; komm mit, ich will Dich leiten!«
    Ohne sich nach den Andern umzusehen, schritt er davon. Ich folgte ihm in das Wadi hinab. Am Ausgange desselben, da, wo es sich gegen den See öffnete, war eine bedeutende Anzahl von Kameelen angepflockt. Es waren nicht die gewöhnlichen Lastthiere, wie man sie für 400 Piaster bekommt, sondern ohne Ausnahme Reitkameele, echte Hedjihn, wie man sie in solcher Anzahl selten findet und mit mehreren Tausend Piaster bezahlt. Er

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