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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er und der ihm nächste brachen zusammen.
    Im Nu sprang der Jäger auf und eilte hinzu. Alle Müdigkeit war verschwunden. Sein Messer öffnete die Adern des einen der gefallenen Thiere, und mit Wollust sogen seine Lippen das heiße, süße Blut, welches ihm zu anderer Zeit Ekel und Abscheu erregt hätte. Dann sprang er zum Pferde, riß den Trinkbecher vom Gurte, ließ ihn voll laufen und schritt damit zu dem Andern, den der Knall der beiden Schüsse aus seiner tödtlichen Betäubung geweckt hatte. Auch die andern Raubthiere waren dadurch verscheucht worden.
    »Wasser!« stöhnte er.
    Der rauchende Trank brachte seinem halb verschmachteten Körper augenblickliche Labung; er richtete sich empor und sah dem Retter mit verwundertem Auge in das bleiche Gesicht.
    »Uff, Sir, that das meiner armen Zunge wohl! Gebt mir noch solch einen Tropfen!«
    Der Angeredete eilte ohne Antwort zu den Koyoten zurück und brachte ihm den letzten Rest ihres Blutes herbei.
    »
Thank you,
Sir! Ich dachte, schon an der Himmelspforte zu sein, aber der vermaledeiete Sand hier rund umher und die Bestien dort sind deutliche Zeichen, daß ich noch ein wenig im bisherigen Jammerthale herumkrabbeln muß. Beinahe glaube ich, das liebe Viehzeug hätte mich aufgefressen, wenn Ihr ihnen nicht den Appetit verdorben hättet!«
    »Ich war dem gleichen Schicksale nahe, habe aber gemeint, daß es besser sei, sie geben mir ihr Blut, als ich ihnen mein Fleisch.«
    »
Well!
Es ist eigentlich ein abscheulicher Schluck; aber in der Noth verschlingt der Bär auch Chokolade, und Euer Einfall ist der beste, den Ihr haben konntet. Er hat mir und Euch geholfen, zwar nur für kurze Zeit, aber –«
    Er unterbrach sich, beschattete das Auge mit der Hand und beobachtete ein kleines, leichtes Wölkchen, welches er am Horizonte bemerkt hatte.
    »
Heigh-day,
dort kommt die Hülfe in der Noth, Sir! Das giebt in einer halben Stunde einen Regen, der die Todessteppe zum See machen würde, wenn der Sand nicht alles Wasser verschlänge. Aber sagt, wie kommt Ihr an diesen Ort, ohne Pferd, ohne Gesellschaft, ohne –«
    »Ohne Pferd? Dort liegt mein Gaul; er war keinen Schritt weiter fortzubringen. Ich komme von Santa Fé, bin den Comanchen echappirt und wollte hinauf nach den Bergen, um über den Red River nach Arkansas zu gehen. Mein Name ist Richard Forster, und meine Heimath Frankfort in Kentucky.«
    »Richard Forster? – Frankfort in Kentucky? –
By god,
Sir, dann sage ich Euch hundertfachen Dank für Euern Rettungstrunk! Ihr seid der berühmte Mann, der die schönen deutschen Lieder macht, die weit über die Staaten hinaus gedruckt und gelesen werden?«
    Der Andre nickte lächelnd.
    »Richtig gerathen! Ich bin der Mann, der ›Savannenbilder‹ dichten wollte und deshalb in die Prairie ging, um sich von den Koyoten beinahe auffressen zu lassen.«
    Er stand jetzt grad und aufrecht da, die Arme in die Hüften gestemmt, eine echte, rechte Kentuckygestalt. Die blonden Locken, lange Zeit ungepflegt, hingen ihm lang bis auf die breiten Schultern herab; die tiefblauen Augen glänzten wieder lebensvoll und die erst so bleichen, männlich schönen Züge begannen sich wieder zu röthen.
    »Oder von den Comanchen aufspießen und am Pfahle martern zu lassen. Auch ich bin vor Kurzem ein Weniges mit ihnen zusammengekommen, Sir, und wurde von ihnen verfolgt bis in dieses verdammte Sandmeer, wo sie wieder umkehrten. Ich glaube, es war dieselbe Truppe, die auch Euch zwischen die Pfeile nahm.«
    »Möglich! Aber nun will ich dieselbe Frage aussprechen, die Ihr mir vorhin vorlegtet.«
    »Ihr? Sagt nur immer Du, Sir! Ich bin weder Präsident noch Gouverneur und mag von Ihr Nichts hören. Wie ich heiße? Tim Summerland, so ist mein Name, seit ich lebe, und so wird er auch bleiben, bis ich meinen Skalp verliere oder von irgend einem Grizzly mit Haut und Haar verschlungen werde. Habt Ihr vielleicht von Bill Summerland gehört, dem Lawyer?«
    »Meinst Du den berühmten Advokaten Bill Summerland in Stenton, Arkansas?«
    »Denselben. Er ist mein Bruder und zu ihm wollte ich. Ich hätte ihm eine verteufelt hübsche Ladung von Goldstaub und Nuggets mitgebracht, die ich droben am Canadian geholt hatte, aber die Pfahlmänner haben sie mir abgenommen.«
    »Die Pfahlmänner?«
    »Ja, die Pfahlmänner. Oder wißt Ihr noch nicht, welchen Schuften man diesen Namen giebt? Es giebt allerlei Gesindel, welches aus gewissen Gründen die Staaten verlassen mußte und hier sicher vor den Armen der Jury zu sein

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