Der Gitano. Abenteuererzählungen
sehr schweigsame Kapitän hatte sich sehr viel mit mir unterhalten. Es war mir dabei vorgekommen, als ob ich mich seiner Zuneigung rühmen dürfe, und er hatte wirklich die Gewohnheit angenommen, mich mehr zu Rathe zu ziehen, als es sonst von einem Seemanne einem Laien gegenüber zu geschehen pflegt. Daher kam es, daß die Mannschaft einen gewissen Respekt vor mir hegte, der mir in manchen Fällen sehr zu statten kam und sehr oft eine kleine Bevorzugung oder Erleichterung zur Folge hatte.
»Meine Berechnung stimmt ganz mit der Eurigen, Sir,« antwortete ich ihm. »Zwar bin ich in dieser Breite noch nie gewesen, aber ich habe mich genau über sie unterrichtet, so daß ich mit Bestimmtheit sagen darf, daß Ihr Euch nicht irrt.«
»Ich war auch noch nicht hier,« gestand der Kapitän. »Wollt Ihr mir wohl sagen, wie die Samoa-und die Tongainseln gebaut sind?«
»Die Samoainseln sollen nach allen Berichten, die man von ihnen liest, noch reizender und lieblicher sein als die tahiti’sche Inselwelt. Sie liegen zwischen dem dreizehnten und fünfzehnten Grad südlicher Breite und dem hunderteinundfünfzigsten bis fünfundfünfzigsten Grad westlicher Länge von Ferro. Sie bestehen aus vier größeren Inseln, welche Savai, Opolou, Tutuila und Manua heißen, und mehreren Eilanden, unter denen Manono und Apolima die bemerkenswerthesten sind, und sind alle vulkanischen Ursprunges, entgegengesetzt mehreren anderen Gruppen, welche, wie diese hier, auf der wir uns befinden, von Korallen erbaut wurden.«
»Und die Tongainseln?«
»Liegen achtzehn bis zweiundzwanzig Grade südlicher Breite und hundertvierundfünfzig bis siebenundfünfzig Grade westlich von Ferro. Die drei größeren heißen Vavao, Tonga-Tabu und Eua, die andern erscheinen fast nur als Punkte auf der Karte des großen Ozeans; auch kommen sie an romantischer Naturschönheit dem Samoaarchipel nicht gleich.«
»Gute Häfen gibt es auf Beiden.«
»Auf Samoa sind sie besser als auf Tonga.«
»Wie weit rechnet Ihr von hier bis nach Samoa, Sir Latréaumont?«
»Wenn wir erst genau West nehmen und dann grad nach Nord umlegen, sind es sechzig Meilen, schneiden wir aber von hier grad nach Nord, so haben wir etwas weniger.«
»Warum sollten wir erst nach West gehen?«
»Die Strömung zu benützen, Kapt’n. Dieser Weg wäre der kürzere, trotzdem er der weitere ist.«
Kapitän Hammer sah mich bei dieser Auseinandersetzung etwas von der Seite an. Der gute Roberts war nämlich auf den ihm gewohnten Kursen ein ganz braver Schiffsführer, schien aber in andern Lagen etwas unsicher zu sein.
»Hm, wäre schon ganz gut, wenn man, statt hier festzusitzen, ein Schiff unter den Füßen hätte!«
»Well! Ich gab Euch ja den Rath, so viel Holz wie möglich zu bergen, um ein Fahrzeug daraus zu bauen. Wir haben ja den Zimmermann und konnten Alle mit Hand anlegen. Auch aus der Schaluppe, wenn wir sie nicht fahren ließen, und dem Kutter hätte sich etwas machen lassen. Ihr aber habt das Gut gerettet, und nun sitzen wir fest.«
»Schön, Sir, das ist Eure Meinung,« antwortete er ein wenig unmuthig. »Ihr wißt aber, daß in solchen Dingen nur die Ansicht des Kapitäns zu gelten hat. Das Gut ist mir anvertraut, und ich muß es zu retten suchen.«
»Richtig, Kapt’n! Aber das Leben Eurer Mannen ist Euch ebenso anvertraut, und wenn es eine Rettung gilt, so sind die Menschen wohl höher anzuschlagen als die Fracht. Wir sind, wenn sich kein Schiff zeigt, hier so viel wie verloren, da wir auf dieser kleinen Insel für so viele Leute unmöglich den vollständigen Lebensunterhalt auf die Dauer finden können. Sucht Euch hinreichende Fruchtbäume! Fische gibt es vielleicht wenig, und die paar Seevögel, welche ich da sehe, werden wohl auch nicht lange reichen.«
»Hm, Ihr wollt mir Vorwürfe machen, Sir?«
»Nein, ich denke gar nicht daran. Es gilt nur, uns die Lage zu vergegenwärtigen, in welcher wir uns befinden, damit wir erfahren, welche Mittel uns zur Verfügung stehen, die Verhältnisse erträglicher zu machen oder uns ihnen gar zu entreißen.«
Da ertönte die Stimme des Steuermanns:
»Zum Essen, Jungens; das Fleisch ist gut!«
Alles rückte näher, um sich an den dicken Erbsen mit Salzfleisch zu vergnügen.
Ich hatte keinen Appetit zu dieser derben Seemannskost und nahm meine Büchse, um am Strande umherzuschlendern und vielleicht einige Seevögel zu erlegen. Das Fleisch derselben ist zwar gewöhnlich entweder hart oder thranig, aber in dem letzteren Falle gab es
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