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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Auffälliges bemerkt haben und gab uns dies mit dem gewöhnlichen Seemannsrufe zu verstehen.«
    »Ahoi – iiiih!« antwortete der Kapitän. »Was ists, Seiler?«
    »Ein Segel in Sicht.«
    »Wo aus?«
    »Ost nahe bei Süd.«
    »Was für eins?«
    »Kein Schiff, sondern ein Fahrzeug.«
    Der Seemann unterscheidet zwischen Schiff und Fahrzeug. Die erstere Bezeichnung gilt blos für Dreimaster, die zweite dann vom Zweimaster bis zum kleinsten Boote oder Kahne herab.
    Will hob das Rohr wieder an das Auge und blickte nochmals aufmerksam hindurch. Dann berichtete er, sich wieder zu uns drehend:
    »Es ist nur ein kleines Fahrzeug, ein Boot oder so etwas, verdammt breit gebaut und mit einem Segel, wie ich es in dieser Form noch gar nicht gesehen habe.«
    »Wohl eine malayische Praue,« meinte ich.
    »Die sind doch schlank und schmal gebaut,« warf der Kapitän ein.
    »Sie haben auch Doppelboote, die von Weitem gerad wie ein einziges, sehr breit gebautes aussehen. Laßt uns hinaufgehen, um uns zu überzeugen, Kapt’n!«
    »Wir Beide eilten zur Höhe empor, während die Andern zurückbleiben mußten. Als wir oben anlangten, nahm ich Will das Rohr aus der Hand und blickte hindurch.«
    »Es ist ein Doppelboot, Kapt’n, ganz so, wie ich mir es gedacht habe. Seht einmal durch das Glas!«
    Er blickte aufmerksam voraus und meinte dann:
    »Ja, zwei zusammengebundene Boote, das kleinere auf der Windseite. Wie viele Leute wird es fassen?«
    »Vielleicht zwanzig bis dreißig. Wollen einmal sehen, ob sich das bereits erkennen läßt!«
    Ich nahm das Rohr wieder zur Hand, um die Bemannung des Fahrzeuges zu zählen.
    »Es sind – – – ah, Kapt’n, es ist nicht allein, eins – drei – fünf, sechs, sieben – zehn, zwölf, dreizehn Segel hinter ihm.«
    »Zeigt her!« gebot der Kapitän. – »Wahrhaftig, dreizehn Segel noch ganz draußen am Horizonte! Sie sind nicht größer als ein Dollar zu sehen.«
    »Ich winkte nach unten und ließ mir mein eigenes Fernrohr kommen, durch welches ich besser zu sehen vermochte.«
    »Es sind einfache Prauen, Kapt’n, gerade von der Art, wie man sie auf den Gesellschaftsinseln hat. Seht Ihr den Ausleger an der Seite derselben? Er soll das Kentern 2 verhüten, welches sonst leicht möglich wäre, da diese langen scharfen Fahrzeuge einen runden Boden haben und blos für einen einzigen Mann breit genug sind.«
    Die kleinen weißen Punkte am Horizonte wurden größer und kamen näher, bis wir deutlich sahen, daß ein jedes wirklich nur mit einem Manne besetzt war.
    »Sie scheinen zu der großen Praue zu gehören,« bemerkte der Kapitän.
    »Natürlich! Nur ist diese mehr voraus, da sie zahlreiche Ruder hat und also schneller vorwärts kommt. Aber, wollen wir hier stehen bleiben und uns von ihnen bemerken lassen?«
    »Wie Ihr meint, Sir! Wir werden uns aber sehen lassen müssen, denn wir brauchen Boote, und sie kommen uns eben recht.«
    »Richtig! Doch wissen wir ja noch gar nicht, in welcher Absicht sie kommen. Tretet also hier hinter das Riff.«
    »Werden sie uns von der Doppelpraue aus nicht bereits bemerkt haben?«
    »Nein. Wir stehen zwar hoch gegen den Horizont in ihren Augen, aber bevor wir nicht ihren Bord genau erkennen, ist es unmöglich, daß sie uns sehen. Uebrigens sind es sehr geschickte Ruderer; sie kommen wahrhaftig so schnell heran, als würden sie mit Dampfkraft getrieben.«
    »Sie gehen vorn sehr tief im Wasser und haben kaum drei Zoll Holz über den Wogen.«
    »Das läßt sich bei dieser Art von Fahrzeug leicht erklären. Der Mast hat die halbe Länge des Fahrzeuges, während die Raa noch einmal so lang ist als er. Sie trägt ein Mattensegel, dreieckig geschnitten und so schwer, daß es das Fahrzeug in die Fluthen drückt.«
    Die Korallenriffe, welche die Insel umgaben, hatten im Südost eine Oeffnung, welche breit genug war, eine Doppelpraue hindurchzulassen. Die erste Praue näherte sich und fuhr in diese Oeffnung ein. Sie war mit ungefähr dreißig Malayen bemannt, welche ausstiegen und die Praue an das Land befestigten. Die Auslegerboote kamen nach. Auch ihre Insassen stiegen aus und zogen ihre Fahrzeuge an das Ufer. Es waren nun über vierzig mit Keulen und scharfen Kais bewaffnete Männer beisammen.
    Ob wir uns ihnen zeigen sollten oder nicht, das mußten wir erst aus den Verhältnissen erkennen.
    Da sie auf dieser Seite landeten, hatten sie das an der Nordseite der Insel liegende Wrak nicht sehen können. Wir mußten uns für alle Fälle mit Waffen versehen und kehrten also,

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