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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hängen bleiben würde? Komme in drei Tagen wieder!«
    »Ich darf nicht gehen; denn ich werde hundert Schläge auf die Sohlen bekommen, wenn ich den weisen Effendi nicht bringe!«
    »Danke Deinem gütigen Herrn, Du Sclave eines Egypters, daß er Deine Beine mit Gnade erleuchtet! Ich will Dich nicht um diese Seligkeit betrügen und Dich deshalb allein ziehen lassen. Wir reisen Morgen ab. Salehm aleïkum, der Herr sei mit Dir; er lasse Dir die Streiche wohl bekommen!«
    »So laß Dir noch Eins sagen, tapferer Arha. Der Herr unseres Hauses hat mehr Beutel in seiner Schatzkammer, als Du jemals zählen kannst. Du solltest auch mitkommen, hat er mir befohlen, und Du wirst ein Bakschihsch haben, ein Geschenk, wie es selbst Hafihs-Pascha, der Diamantenspendende, niemals gegeben hat.«
    Jetzt wurde der Mann endlich klug und faßte meinen guten Omar bei dem Punkte, an welchem man den Morgenländer zu packen hat, wenn man ihn günstig stimmen will. Der geldlustige Haushofmeister änderte auch sofort den Ton seiner Stimme und gab die etwas weniger harte Antwort:
    »Allah segne Deinen Mund, mein Freund! Aber ein Piaster in meiner Hand ist mir lieber als zehn Beutel in der Deinigen. Ich will mir es überlegen, ob ich den Herrn stören darf.«
    »Laß den Rath Deines Herzens nicht zögern; hier nimm die Gabe Deines Bruders!«
    »Deine Hand ist mager wie der Schakal hinter der Schlinge und dürr wie die Wüste jenseits des Mokkadam. Wie kann das Feld Frucht bringen, wenn nur zwei Tropfen Thau von Himmel fallen!«
    Nach dieser sehr deutlichen Aufforderung vernahm ich zum zweiten Male den klimpernden Ton des Silbers, und nun erst war Omar bereit, »mich zu stören.« Ich konnte ihm unmöglich bös sein. Er handelte nur nach der allgemeinen Unsitte, und übrigens sind hier oben in Rubien die deutschen Aerzte nicht so öfters zu finden, als daß ein reicher Türke, wie Abrahim jedenfalls war, mit einem kleinen Bakschihsch hätte knausern dürfen.
    Was mich aber bei der Angelegenheit mit Verwunderung erfüllte, war der Umstand, daß ich – wie ja aus den Reden der Beiden zu ersehen war, nicht zu einem männlichen, sondern zu einem weiblichen Patienten verlangt wurde. Obgleich ich schon mehrere Jahre im Oriente verweilt hatte, besaß das Wort Harem doch immer noch den Reiz des Geheimnißvoll-Romantischen für mich, und wenn ich auch den Character der morgenländischen Frauen nicht achten konnte, so mußte ich doch ihre oft wirklich unvergleichliche Schönheit bewundern, von der ich schon öfters hinter einem fortgewehten Schleierzipfel eine kleine aber überzeugende Probe bemerkt hatte. Da aber der Muselmann die Bewohnerinnen seiner Frauengemächer sogar in den dringendsten Fällen nicht den Augen eines Fremden, auch nicht des Arztes freigiebt, so handelte es sich hier jedenfalls entweder um eine alte Dienerin oder ich bekam nichts weiter zu sehen, als die Fingerspitzen der Patientin. Deshalb sah ich dem Eintritte Omars mit ziemlicher Gleichgültigkeit entgegen.
    »Herr, ein Mann will mit Dir sprechen, welcher draußen steht. Er hat ein Boot im Nil und sagte, ich müsse auch mit kommen!«
    Fast hätte ich lachen müssen über die letzte Bemerkung, mit welcher sich der schlaue Bursche ein weiteres Trinkgeld sichern wollte. Doch mochte ich ihn nicht in Verlegenheit bringen und befahl ihm deshalb kurz, den Boten herein zu schicken.
    Dieser verbeugte sich bei seinem Eintritte bis herab zur Erde, zog die Schuhe aus, trat um einige Schritte näher und begann unter wiederholter Verbeugung:
    »Salem aelïkum, Allah sei mit Dir, o Herr, und lasse Deine Ohren offen sein für die Bitte des geringsten Deiner Knechte.«
    Meine Antwort erwartend, schwieg er. Ich erwiderte seinen Gruß mit einen kurzen Nicken des Kopfes und befahl:
    »Sprich!«
    »Es ist großes Herzeleid gekommen über das Haupt Abrahim-Arha’s, meines Gebieters, denn Leïlet, die Krone seines Herzens, schwindet hin in die Schatten des Todes und kein Arzt, kein Fakhir und auch kein Zauberer vermag die Schritte ihrer Krankheit aufzuhalten. Da hörte mein Herr – den Allah erfreuen möge – von Dir und Deinem Ruhme, und daß der Tod vor Deiner Stimme flieht. Er sandte mich zu Dir und läßt Dir sagen: Komm und gieb mir meine Blume wieder; nein Dank soll süß und hell sein, wie der Glanz des Goldes!«
    »Ich kenne diesen Ort und habe doch Deinen Herrn noch nicht gesehen. Wo wohnt er?«
    »Er wohnt am Strome und sendet Dir ein Boot. In einer Stunde hast Du ihn erreicht.«
    »Ich

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