Der Gladiator
Straßenzüge gerettet hatten, waren plötzlich von dem Flammenmeer umzingelt. Blind vor Verzweiflung stürzten sie sich in die Glut und verbrannten bei lebendigem Leib. Andere nahmen sich bei der Hand und tanzten zu frommen Gesängen. Vor allem die Sekte der Christiani sah in dem Brand der Stadt deutliche Anzeichen für das bevorstehende Weltende und die Erlösung von aller Erdenpein.
Seit den Tagen des Kaisers Claudius, als die gesamte Vorstadt auf dem Marsfeld niederbrannte, hatte Rom keine derartige Feuersbrunst mehr erlebt, dieser Brand schien alle bisherigen Feuersbrünste in den Schatten zu stellen. Seinen Ausgang hatte das Feuer am Circus maximus genommen. Dort, zwischen Bretterbuden und primitiven Hütten, fand es genügend Nahrung, um mit turmhohen Flammen auf die umliegenden Stadtteile übergreifen zu können. So wurden bereits in der ersten Nacht der Palatin mit seinen Kaiserpalästen und der Stadtteil Isis und Serapis ein Raub der Flammen. Fünf Tage und fünf Nächte kämpften Tausende von Feuerwehrmännern vergeblich gegen das Großfeuer an, am sechsten Tag gelang es endlich eine Schneise zu schlagen, so daß die Flammen keine Nahrung mehr fanden.
Kein Mensch konnte je in Erfahrung bringen, wie viele Todesopfer dieser Großbrand forderte. Es müssen Zigtausende gewesen sein. Völlig verschont blieben nur vier der vierzehn Stadtbezirke, darunter das Armenviertel Transtiberim. Der zehnte Teil aller Gebäude Roms lag in Schutt und Asche.
Für das Heer der Obdachlosen öffnete der Kaiser seine Privatbauten, die Parkanlagen, öffentlichen Hallen und Thermen. Enge, verwinkelte Straßenzüge, die die Ausbreitung des Brandes erleichtert hatten, wurden dem Erdboden gleichgemacht und durch breite Straßen mit dreistöckigen Mietshäusern ersetzt. Für sich selbst ließ Nero eine neue großzügige Palastanlage errichten. Sie erstreckte sich vom Palatin bis zum Esquilin und wurde von den Römern wegen ihrer prunkvollen Ausstattung ›das Goldene Haus‹ genannt. Am Eingang wuchs eine fünfunddreißig Meter hohe Statue aus vergoldeter Bronze in den Himmel, eine Darstellung des Sonnengottes Sol mit den Gesichtszügen des Kaisers Nero. Und weil der Kaiser Prämien ausschüttete für Häuser, die innerhalb kurzer Zeit in einem bestimmten Stil aufgebaut wurden, bekam Rom bald ein neues, noch schöneres Gesicht.
Tigellinus, der Berater des Kaisers, ließ sich in der Sänfte nach Tibur tragen. Umgeben von einem Sklavenheer, hätte man ihn beinahe für den Kaiser selbst halten können. Doch Tigellinus kam als Bittsteller für den Prinzeps, er brauchte Geld; und er wußte, wo es zu haben war, bei Mariamne.
»Du bist«, begann Tigellinus freundlich, »wie durch ein Wunder aus den Flammen gerettet worden.«
»O nein«, antwortete Mariamne, »ein Wunder war es nicht, dem ich mein Leben verdanke. Der Gladiator Vitellius hat mich unter Einsatz seines Lebens gerettet. Wäre er nicht gewesen, dann stünden wir uns heute nicht gegenüber.«
»Ein tapferer Mann, fürwahr. Es gab gewiß nicht viele, die während des Brandes solche Taten vollbrachten. Vielen war ihre Habe wichtiger als das Leben ihrer Mitmenschen. Habt ihr große Verluste zu beklagen?«
»Nein, den Göttern sei Dank. Daß mein Stadtpalais ein Raub der Flammen wurde, trifft mich wenig. Es war alt und hätte ohnehin der Restaurierung bedurft. So wurde für ein neues Gebäude Platz geschaffen.«
Tigellinus kam zum Thema: »Der Kaiser hingegen hat große Verluste zu beklagen. Er läßt ganze Straßenzüge neu errichten, sein Palast verschlingt Millionen, und daneben verteilt er Getreide unter die Armen. Wir haben lange keine neue Provinz erobert, und nun sind die Kassen leer. Ich hoffe, daß du den Kaiser eines Kredites für würdig erachtest.«
»Wieviel?« fragte Mariamne kühl.
Ebenso kühl antwortete Tigellinus: »Hundert Millionen.«
Mariamne zeigte keine Regung. »Ist es nicht gefährlich, wenn sich der Kaiser so sehr in Abhängigkeit begibt?«
Tigellinus hob die Schultern: »Es gibt gewiß angenehmere Geschäfte. Aber auch Cäsar und Augustus, unsere Göttlichen, lagen zu gewissen Zeiten Männern aus dem Volke auf der Tasche. Das hat ihren Ruhm nicht geschmälert.«
Mariamne kostete es sichtlich aus, daß ein Abgesandter des Kaisers zu ihr als Bittsteller kam. »Warum kommt er nicht selbst, dein Prinzeps?« fragte sie lächelnd.
»Du weißt doch, wie menschenscheu Nero geworden ist. Er lebt in ständiger Angst, man könnte ihn wie seine Vorgänger
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