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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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beobachten. Das zwielichtige Spiel des Nymphidius Sabinus machte ihn mißtrauisch, und um auszuloten, wie groß die Macht dieses Mannes war, setzte er ihn von Spanien aus ab.
    Der alte Fuchs hatte richtig vermutet: Nymphidius geriet in Panik. Er rief eilends die Tribunen der Leibgarde zusammen und hielt eine feurige Rede:
    »Römer, Prätorianer, Beschützer des Kaisers, tapfere Männer! Jupiter straft uns hart für allerlei Frevel, den wir begangen haben. Kaum ist uns der eine Prinzeps durch Selbstmord gegangen, kaum hat der Senat einen anderen gewählt, da wird, noch bevor er den Platz auf dem Thron eingenommen hat, deutlich, daß der gutmütige alte Herr nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Nicht nur, daß er es ablehnt, römischen Boden zu betreten, er läßt sich von zweifelhaften Beratern unheilvoll beeinflussen, so daß schon jetzt, ehe er überhaupt in Rom erschienen ist, Zustände herrschen wie unter Nero. Wir brauchen deshalb einen neuen, einen anderen Kaiser. Ich habe lange überlegt, ob ich mich für dieses schwere Amt zur Verfügung stellen soll. Nun sage ich ja. An mir haftet nicht der Starrsinn des Alters und nicht der Leichtsinn der Jugend. Und doch habe ich reichliche Erfahrung. Ich habe während der Abwesenheit Neros in Achaia die Regierungsgeschäfte geführt, ohne daß das Reich Schaden genommen hätte. Ausgestattet mit der Macht des Kaisers werde ich noch besser regieren.
    Diese Macht könnt nur ihr mir verschaffen. Ihr wart es, die unsere letzten Kaiser auf den Thron gehoben haben, und nicht einmal der römische Senat hat es gewagt, sich eurem Spruch zu widersetzen. Deshalb, Männer, Tribunen, ruft eure Soldaten zusammen und verkündet ihnen die Lage. Ich werde um Mitternacht in unserer Kaserne erscheinen; dort sollt ihr mich zum Kaiser ausrufen!«
    Die Tribunen zerstreuten sich und diskutierten in kleinen Gruppen die Erfolgsaussichten ihres Anführers. Die Meinungen waren geteilt. Gewiß, ein Prätorianer auf dem Kaiserthron hätte ihr Ansehen gesteigert, nur – Nymphidius Sabinus war im Vergleich zu Sulpicius Galba ein armer Schlucker. Es war klar, wer von beiden ihnen das größere Handgeld bezahlen würde.
    Zwölf Kilometer nördlich des Stadtkerns zwischen der Via Nomentana und der Via Collatina lag die Prätorianerkaserne, ein weites Areal, eingerahmt von vier Gebäudeblöcken. Die Nacht war sternenklar. In Begleitung bewaffneter Freunde, umringt von Fackelträgern, näherte Nymphidius sich dem Hauptportal. Er zweifelte nicht daran, daß die Prätorianer ihm ihre Zustimmung erteilen würden. Warum, bei allen Göttern, blieb aber das Tor verschlossen? In der Dunkelheit erkannte Nymphidius schwerbewaffnete Soldaten auf der Mauer.
    »Auf wessen Befehl steht ihr unter Waffen?« rief Nymphidius in die finstere Nacht.
    Die Antwort kam vielstimmig: »Galba ist unser Kaiser, Galba ist unser Kaiser!«
    Der Prätorianerführer erkannte, daß er verloren hatte; blitzschnell paßte er sich der neuen Situation an und stimmte in den Ruf ein: »Galba ist unser Kaiser!«
    In diesem Augenblick öffnete sich das Hauptportal. Seine Begleiter blieben wie angewurzelt stehen. Auch Nymphidius zögerte. Was erwartete ihn im Innern? War es eine Falle? Zuerst dachte Nymphidius an Flucht; doch dann wurde ihm bewußt, er durfte nicht kehrtmachen. Ein Hauptmann, der vor seinen Soldaten davonläuft, ist die längste Zeit Hauptmann gewesen.
    Also schritt er in starrer Haltung, mit den Augen die Dunkelheit absuchend, durch das Tor. Er hatte gerade den Innenraum erreicht, da sauste ein Speer durch die Luft. Ein Begleiter riß seinen Schild hoch, krachend fuhr das Geschoß in das eisenbewehrte Schutzwerk, und noch ehe Nymphidius die Situation erkannt hatte, stürzten sich die Prätorianer mit Schilden und Schwertern bewaffnet auf ihren Hauptmann. Nymphidius entkam in dem grausamen Gemetzel, versteckte sich in einer Kammer; doch seine Soldaten stöberten ihn auf und hieben mit ihren Schwertern auf ihn ein, bis er blutüberströmt liegenblieb.
    Erst Anfang Oktober kam Galba in Rom an, verscherzte sich jedoch sofort bei den Prätorianern alle Sympathien, weil er sich weigerte, das versprochene Handgeld auszuzahlen. »Ich pflege«, sagte er, »Soldaten auszuheben, nicht zu kaufen.« Große Worte eines alten Mannes – sie waren sein Todesurteil. Die Prätorianer brachten ihn nach dreimonatiger Regierung um. Auch sein Nachfolger Otho regierte nicht länger, und in Rom grüßten sich die Bürger sarkastisch: »Salve, wer ist

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