Der Gladiator
dem Prinzeps geschlafen hat, in Wirklichkeit aber ist er dem Gladiator Martianus wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Wer von uns wäre nicht gerne der Sproß eines Kaisers?« Plinius lachte laut.
»Römer«, begann Nymphidius Sabinus, »auf dem Weg zur Kurie will ich euch mitteilen, daß die Prätorianer Galba als neuen Kaiser von Rom anerkannt haben. Seine Leibgarde steht wie ein Mann hinter dem Prinzeps und erwartet seine Rückkehr aus Spanien. Ich werde dem Senat den Entschluß der Prätorianer mitteilen und ihn bitten, Galba zum Kaiser zu proklamieren.«
»Was zahlt er jedem von euch Verbrechern?« rief ein Alter aus der Menge. »Mehr als damals Nero?« grinste ein anderer. Und ein dritter rief: »Gebt uns doch etwas ab von eurem Bestechungsgeld.«
Nymphidius Sabinus verließ sichtlich nervös die Rednerbühne und strebte der Kurie zu, wo bereits die Senatoren zu einer Sitzung zusammengetreten waren, um über die Zukunft des römischen Weltreiches zu beschließen.
»Agrippina soll für ihren Sohn Nero damals 15.000 Sesterze an jeden Prätorianer bezahlt haben«, sagte Plinius. »Das waren bei 12.000 Leibgardisten 180 Millionen Sesterze. Einen alten Mann wie Galba anzuerkennen ist gewiß noch viele Male teurer.«
Vitellius nickte: »Du kennst den Orakelspruch, der Nero bei seiner Griechenlandreise in Delphi zuteil wurde?« Plinius verneinte. »Nun«, fuhr der Gladiator fort, »die Pythia sagte dem Prinzeps, und das ist noch kein Jahr her, er solle sich vor dem dreiundsiebzigsten Jahr hüten. Nero war damals dreißig Jahre alt und glaubte, der Tod würde ihn mit dreiundsiebzig Jahren dahinraffen. Daß die Pythia vor einem Dreiundsiebzigjährigen warnte, wer konnte das ahnen!«
»Erstaunlich!« sagte Plinius. »Obwohl ihr Ruf nicht mehr der beste ist, verblüfft sie immer wieder durch treffsichere Vorhersagen. Meinem Freund und Feldherrn Vespasian prophezeite ein jüdischer Priester, er und sein Sohn Titus würden einmal Herr über die Erde, das Meer und über das ganze Menschengeschlecht sein. Bisher habe ich an diesem Orakel gezweifelt, denn Vespasian ist sechzig Jahre alt. Nun, da der dreiundsiebzigjährige Galba sich anschickt, den Thron zu besteigen, sehe ich die Sache anders.«
Vitellius überlegte, ob er darüber reden sollte, dann entschloß er sich dazu und sprach: »Auch ich habe schon einmal das delphische Orakel befragt. Ich suchte in Griechenland nach einem Mädchen, das ich einmal sehr geliebt habe, und bekam zur Antwort, ich würde das Mädchen irgendwann einmal wiedersehen, aber ich würde es nicht mehr erkennen. Du bist ein kluger Mann, Plinius, welche Bedeutung hat dieser Spruch?«
»Ich bin kein Orakeldeuter«, erwiderte Plinius, »aber vermutlich wirst du dieser Frau irgendwann im Alter begegnen, wenn ihre Haare grau sind und Falten ihr Gesicht zerfurchen, und sie wird deiner Vorstellung und Erinnerung nicht mehr entsprechen.«
»Nicht anders habe ich den Spruch gedeutet«, sagte Vitellius, »es ist schwer, sich damit abzufinden.«
»Wenn du meinen Rat hören willst, glaube an das Orakel und vergiß das Mädchen. Es hat keinen Sinn, ein Leben lang einem Ideal hinterherzurennen und dabei am Leben vorbeizugehen.«
»Wie recht du hast. Ich habe mich auch bereits damit abgefunden, wenngleich es mir nicht leicht fällt. Ich habe eine andere geheiratet.«
»Wer ist die Auserwählte?«
»Tertulla, die Tochter des Pheroras.«
»Tertulla?« Plinius staunte. »Dann bist du ja ein reicher Mann und kannst dir deinen eigenen Kaiser kaufen.«
»Nicht das Geld hat den Ausschlag gegeben«, lachte Vitellius, »sei versichert, es gab ganz andere Gründe für die Eheschließung. Tertullas Vater Pheroras wurde von einem Sklaven ermordet, ihre Mutter Mariamne starb an der Pest. Auf dem Totenlager nahm mir Mariamne das Versprechen ab, Tertulla zur Frau zu nehmen und mich um die Geschäfte zu kümmern.«
»So hast du Dreizack und Fangnetz an den Nagel gehängt, um dich fortan mit Zinsen und Bilanzen herumzuschlagen?«
»Zumindest fürs erste. Aber sei versichert, ich steige wieder in die Arena, sobald es meine Geschäfte erlauben. Denn wer einmal den Sandstaub der Arena geschluckt, den eigenen Angstschweiß gerochen und das Blut des Gegners von den Händen geschüttelt hat, der kommt nicht mehr los davon, den zieht es immer wieder in das tobende Rund, als könnte er sich damit ein Stück Unsterblichkeit erkämpfen.«
Der alte Schreiber Cornelius Ponticus nahm die Stelle von Pheroras' Sekretär
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