Der Gladiator
seinen Becher, goß einen Schluck auf den Boden und sagte: »Trinken wir auf Titus, unseren Kaiser, der das schönste Amphitheater der Welt erbauen ließ.«
Cornelius antwortete: »Auf unseren Kaiser und auf dich – auf daß dein Kampf siegreich verlaufe.«
Der Gladiator wehrte ab: »Was kümmert uns das Morgen. ›Carpe diem‹, sagte der Dichter, ›lebe das Heute‹.« Und dabei lachte er laut und breit. Noch nie hatte der Schreiber seinen Herrn so ausgelassen lachen gehört. Schließlich tat der Wein seine Wirkung, und Cornelius Ponticus konnte nicht umhin, in das ausgelassene Gelächter des blinden Gladiators einzustimmen.
»Die Leute erzählen«, meinte er, während er den Wildschweinbraten mit bloßen Händen zerteilte und Vitellius einzelne Stücke hinüberschob, »der Prinzeps feiere in seinem Palast wahre Freßorgien mit seinen Lieblingen und Eunuchen. Seit den Zeiten Caligulas, der seine Speisen in Blattgold hüllen ließ, habe es solche Völlereien nicht mehr gegeben.«
»Soll er doch«, entgegnete Vitellius, »besser ein Kaiser, der das Leben liebt, als ein Prinzeps, der es fürchtet. Kaiser, die mit ihrem Leben nicht zurechtkamen, hatten wir fürwahr genug.« Während er sprach, wurde die Zunge des Gladiators vom Wein zunehmend schwerer. In einer Ecke des Lokals tanzte ein schwarzhaariges Mädchen zum Klang einer Rassel, und die Gäste warfen vor ihr Münzen auf den Boden. Vitellius griff in seinen Gürtel, zog ein Geldstück hervor und schleuderte es genau in die Richtung, aus der der Rhythmus zu hören war. »Tanz weiter, schöne Frau!« rief er lachend.
»Es ist ein junges Mädchen – höchstens siebzehn«, raunte Cornelius Ponticus seinem Herrn zu.
»Na und«, erwiderte Vitellius, »ist es deshalb keine Frau?«
Der Wirt, der den Vorfall von seinem Schanktisch aus beobachtet hatte, trat hinzu und sagte diskret, daß es niemand hören konnte: »Du kannst sie haben, wenn du willst. Sie ist nicht billig; aber dafür macht sie es auch nicht mit jedem!«
»Ha«, prustete Vitellius heraus, »was heißt hier nicht mit jedem.« Er rempelte seinen Schreiber am Ellenbogen: »Da kennen wir ganz andere Adressen, dort gibt es ganz andere Frauen. Nicht wahr, Cornelius?«
Dem war das weinselige Gerede des Gladiators peinlich; vor allem befürchtete Cornelius Ponticus, sein Herr könnte aus der Rolle fallen, die er seit einem halben Jahr so bravourös spielte. »Wir sollten gehen, Herr!« sagte er leise und schob dem Wirt ein Goldstück über den Tisch. Vitellius erhob sich taumelnd. »Ja, mein Freund, wir gehen; aber nicht nach Hause. Carpe diem! Jetzt gehen wir ins Aureum. Die schönsten Frauen sind für uns heute gerade gut genug.«
Nachdem sie zweihundert Sesterze entrichtet hatten, durften Vitellius und Cornelius Ponticus das vornehme Freudenhaus betreten. Wolken betörenden Duftes quollen ihnen auf der weißen Marmortreppe entgegen. Eine dunkelhäutige Sklavin drängte die beiden auf die seidenen Kissen, die überall im Atrium herumlagen.
»Mein Herr hat etwas zuviel getrunken«, entschuldigte sich der Schreiber, weil er Vitellius am Arm hielt und ihm jede Bewegung vorschrieb.
Die dunkle Domina lächelte verständnisvoll. Dann erkundigte sie sich nach den Wünschen der Gäste, nach dem Frauentyp, den sie bevorzugten, dem Duft, der sie betörte, der Lieblingsfarbe der Tapeten und der Geschmacksrichtung des Weins.
»Rot!« sagte Vitellius, ohne lange zu überlegen. »Rote Tapeten, roter Wein und ein Duft wie rote Rosen!« Bei der Beschreibung der Frau, die er sich wünschte, kam er ins Stocken, ja es schien sogar, als sei er auf einmal wieder nüchtern. »Ich habe da«, begann er zögernd, »mal ein Mädchen gekannt …«
»Wie sah sie aus?« fragte die Domina. »Ich glaube, wir können dir jeden Wunsch erfüllen.«
»Es war keine Römerin. Sie stammte von jüdischen Eltern ab, hatte pechschwarzes Haar und dunkle Augen, und wenn sie lächelte, bildeten sich um ihre Augen winzig kleine Fältchen. Sie war klein und zierlich. Sie hatte kleine Brüste wie zwei Schälchen aus milchigem Glas, und ich glaube, ich hätte ihre Taille mit meinen Händen umfassen können.«
»Du sollst sie haben«, meinte die Dunkelhäutige, faßte den Gladiator am Arm und geleitete ihn in ein rotes Gemach, wo sie ihn auf ein weiches Polster drückte. »Ich hoffe, es gefällt dir.«
»O ja«, antwortete Vitellius und lauschte den Schritten, die sich entfernten. Er hörte das Flackern der Öllämpchen an den Wänden
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