Der Gladiator
die Erfindung neuer Buchstaben für unsere Schrift, all das hat Claudius sehr viel Sympathie eingebracht. Unsere Lage wird immer schwieriger.«
Die Männer um Messalina, allesamt ihre Liebhaber, nickten. Sie standen um das silberne Bett der Kaiserin, das sechs Leuten Platz bot, und verschlangen die Frau mit den Augen. Dabei gab sich ein jeder sichtlich Mühe, Gelassenheit zur Schau zu tragen, als wäre es selbstverständlich, daß die Kaiserin, dieses Lust und Begierde versprühende Weib, sich halbnackt vor ihnen rekelte und mit gespielter Hilflosigkeit an den Spitzen eines kleinen Schleiers zupfte. Der sollte wohl dazu gedacht sein, ihre rosigen Blößen zu bedecken, in Wirklichkeit aber bereitete es Messalina sichtliches Vergnügen, das obere und das untere Ende des Tüchleins abwechselnd über ihre wogenden Brüste und die schwarzen Schamhaare zu ziehen, wobei sie jedesmal oben oder unten etwas von ihrem Körper preisgab.
Titius Proculus, Ehrenwächter und engster Vertrauter, hatte sich am besten in der Gewalt. »Seit dem göttlichen Augustus«, sagte er etwas theatralisch, »starb kein Cäsar eines natürlichen Todes. Jedem kam das Schwert zu Hilfe. Auch Claudius wird ein vorzeitiges Ende finden.«
»Gewiß«, meinte Juncus Vergilianus, ein Mitglied des römischen Senates, »nur waren Tiberius und Caligula zum Zeitpunkt ihres Todes beim Volke verhaßt.«
»Aber Claudius?« sagte Sulpicius Rufus, der Leiter der Gladiatorenschule, »Claudius war nur zu Beginn seiner Regierung unbeliebt, nach seinen militärischen Erfolgen in Britannien und bei seinem Sinn für die Bedürfnisse der Massen stehen die Römer nun zum größten Teil auf seiner Seite, und wer ihn gewaltsam beseitigen wollte, hätte die öffentliche Meinung gegen sich.«
»Wir können aber nicht warten, bis der Prinzeps nach dem Willen der Götter das Zeitliche segnet, es scheint mir seit geraumer Zeit ohnehin, als ob seine Jahre rückwärts laufen«, erwiderte Decrius Calpurnianus, der Chef der römischen Feuerwehr.
»Kein Wunder«, lachte Messalina, »er reist ja auch mehrmals im Jahr zur Kur nach Sinuessa in das ehemalige Landhaus Ciceros. Der Wein und die warmen Bäder scheinen ihm gutzutun.«
»Auf dem Weg nach Sinuessa könnte dem Prinzeps doch etwas zustoßen«, meinte Sanfeius Trogus, Mitglied der Leibgarde des Kaisers.
»Wenn das Attentat scheitert, bist du aber der erste, den das Schwert des Henkers trifft«, wandte Proculus ein, »mir scheint ein Attentat fernab der Hauptstadt mit hohen Risiken verbunden. Die Gefahr, vorher entdeckt zu werden, ist größer, die Möglichkeit, danach unterzutauchen, ist kleiner als hier in Rom, wo wir selbst jeden Winkel kennen.«
»Auf dem Lande gelang es nicht einmal, den kleinen Ahenobarbus zu beseitigen«, sagte Messalina und klopfte eines der roten Seidenkissen zurecht. »Agrippinas Sohn lebt immer noch. Immer noch kann er mir und meinem Sohn Britannicus die Thronfolge streitig machen.« Dabei funkelten ihre dunklen Augen.
»Erinnert Euch doch«, ereiferte sich Proculus, »wie schwer es für uns war, unerkannt von Antium nach Rom zu kommen. Hätte man uns gesehen, wären unsere teuer erkauften Alibis völlig nutzlos gewesen.«
»Wenn es auf dem Lande nicht möglich ist, dann muß es in Rom geschehen«, sagte Messalina. Als keiner ihrer Liebhaber antwortete, wurde sie wütend. »Feiglinge seid ihr!« Messalina kniff die Augen zusammen. »Schlappe, miese Feiglinge. Ihr wollt meine Freunde sein«, zischte sie verächtlich, »dabei seid ihr nur Sklaven eurer Lüste. Eure Augen triefen vor Begierde, mich zu betasten, meinen Mund zu spüren und der Venus erregendes Spiel zu vollziehen, aber ihr alle seid nicht bereit, das kleinste Risiko zu tragen, geschweige denn, euer Leben für mich aufs Spiel zu setzen.«
»Augusta!« Vergilianus versuchte, beruhigend auf die tobende Messalina einzuwirken.
»Ja, Augusta«, zischte sie, »ich bin ja nicht einmal Augusta, ich bin die Gemahlin des Kaisers Claudius, zufällig die dritte. Ich habe dem Prinzeps einen Thronfolger geboren und eine Tochter, aber Kaiserin bin ich nicht. Und jetzt muß ich, von meinen Freunden verlassen, auch noch befürchten, daß Agrippina, des Kaisers Nichte, mir den Rang streitig macht.«
Messalina hatte sich von ihrem Silberbett erhoben, das mitten im Tablinum stand, und tobte, nur mit ihrem dünnen Schleier bekleidet, durch das Palais. Während sie durch das Peristyl, einen ungedeckten Säulengang, der das Zentrum der Villa bildete,
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